Lebensmittel aus der Region: Was bringt das neue Etikett?

Berlin (dpa) - Regionale Produkte sind in Supermärkten immer stärker gefragt. Doch einheitliche Werberegeln gibt es nicht. Nun soll ein neues Logo für Klarheit sorgen. Viele Kunden sind bei Etiketten ohnehin unsicher.

Auf den Packungen locken Landeswappen und Logos mit dem Reiz des Regionalen: Dass Lebensmittel aus ihrer Heimat kommen, wird für immer mehr Kunden in Deutschland zum Kaufargument. Was genau die Werbung eigentlich verspricht, ist aber häufig nicht ganz klar. Welche Zutaten in der Marmelade oder der Salatsoße kommen denn aus dem angepriesenen Gebiet? Verbraucherschützer haben ein scharfes Auge auf Tricksereien bei manchen Aufdrucken. Nun soll eine einheitliche Regio-Kennzeichnung mehr Klarheit bringen - erst einmal testweise. Bis April läuft eine Pilotphase in bundesweit 20 Testmärkten.

Einen Trend zu Wurst, Milchprodukten oder Saft aus der Umgebung spüren Handel und Hersteller bei vielen Kunden schon seit einiger Zeit. „Wir erleben eine beispiellose Renaissance des Regionalen in Deutschland“, sagt Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Knapp zwei Drittel der Deutschen finden es wichtig, dass Lebensmittel aus einer bestimmten Region kommen, wie eine Umfrage des Ministeriums ergab. In Produkte aus der eigenen Region haben 93 Prozent auch großes Vertrauen. Manche wollen außerdem die örtliche Landwirtschaft unterstützen, andere aus Klimaschutzgründen lange Transportwege vermeiden.

Schon jetzt prangen auf vielen Packungen Medaillen und Etiketten, die eine besondere Regionalität verbürgen sollen. So werben die Bundesländer mit entsprechenden Siegeln - je nach Land kann das aber bedeuten, dass volle 100 Prozent, 80 Prozent oder nur mehr als 50 Prozent der Hauptzutat aus dem Gebiet garantiert sind. Handelsketten haben teils eigene Regionalmarken, die eher allgemein „Von hier“ oder „Unsere Heimat“ heißen. Dazu kommen noch die EU-Kennzeichnungen „geschützte Ursprungsbezeichnung“, etwa für Allgäuer Emmentaler, sowie „geschützte geografische Angabe“ wie für Lübecker Marzipan.

„Der Verbraucher muss sicher sein können, dass ein Produkt zu Recht mit seiner regionalen Herkunft wirbt“, sagt Aigner. Einen verständlichen, einheitlichen Standard dafür soll nun ein neues Logo signalisieren. In einem blauen „Regionalfenster“ auf der Packung können Kunden lesen, woher die wichtigsten Zutaten stammen und wo sie verarbeitet wurden. Dabei muss die Region kleiner als Deutschland sein - etwa ein Bundesland oder ein Landkreis. Möglich sind aber auch Umschreibungen wie „Eifel“ oder „100 Kilometer um Fulda“.

Die erste Hauptzutat muss zu 100 Prozent aus der Region stammen. Auf dem Etikett einer Packung schwäbischer Maultaschen könnte also stehen: „Schweine/Weizen zu 100 Prozent aus Baden-Württemberg“ und „Verarbeitet in 71254 Ditzingen“, wie das Ministerium als Beispiel nennt. Weitere Aussagen über eine besondere Art der Erzeugung wie „ökologisch“, „ohne Gentechnik“ oder „tiergerecht“ gibt es nicht.

Ob sich die neue Kennzeichnung durchsetzt, muss sich zeigen. Bis April läuft zunächst eine Pilotphase mit rund 150 Produkten, die in bundesweit 20 Testmärkten zu haben sein sollen. Die Ernährungsbranche reagiert aufgeschlossen. Eine gute zusätzliche Orientierungshilfe für Verbraucher sei das einfache und sinnvolle Konzept, heißt es beim neuen Verein „Die Lebensmittelwirtschaft“. „Den Herstellern bleibt überlassen, ob sie ihre Produkte mit dem Regionalfenster kennzeichnen - und das Wie ist einheitlich geregelt.“

Diese Freiwilligkeit reicht Verbraucherschützern aber nicht. Für die Kunden mache ein weiteres unverbindliches Siegel die Verwirrung nur größer, kritisiert Oliver Huizinga, Experte bei der Organisation Foodwatch. Kommen müsse eine Pflicht, die Herkunft aller Hauptzutaten anzugeben. „Regionalität darf nicht zum Marketingtrick verkommen“, warnt auch der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Gerd Billen. „Die Regierung muss per Gesetz definieren, wann eine Regionalkennzeichnung erlaubt ist und wann nicht.“

Das Bundesverbraucherministerium verweist indes auf laufende Prüfungen der EU-Kommission, nationale Alleingänge seien auf dem europäischen Binnenmarkt nicht erlaubt. Dabei besteht bei vielen Kunden ziemliche Verunsicherung über Packungsaufdrucke - nicht nur bei Regionalem, wie der vzbv nach einer Umfrage mitteilte. Demnach erwarten zwei Drittel der Befragten, dass für „Kalbswurst“ allein Kalbsfleisch verarbeitet wird - vorgeschrieben aber ist das nicht.

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