Neurologe: Stress im Mutterleib kann zu Depressionen führen

Wiesbaden (dpa) - Dass mütterlicher Stress während der Schwangerschaft für das Baby im Bauch nicht gut ist, ist bekannt. Ein Neurologe aus Jena hat nun herausgefunden, dass er auch den Schlaf des Kindes verändert.

Und zu Depressionen führen kann.

Neue Erkenntnisse von Neurologen zum Schlaf von Babys im Mutterleib weisen darauf hin, dass Stress während der Schwangerschaft zu Depressionen beim Kind führen kann. In einem Interview erklärt der Jenaer Wissenschaftler Matthias Schwab, warum das so ist.

Welche Prozesse stecken hinter dem erhöhten Risiko, an einer Depression zu erkranken?

Schwab: Auch wenn ein Großteil der mütterlichen Stresshormone in der Plazenta abgefangen werden, so kommen doch zehn Prozent zum Baby durch. Während der Schwangerschaft kann übermäßiger Stress der Mutter zu einer verfrühten Entwicklung des Traumschlafes beim Baby führen. Diese frühere Reifung wird von häufigeren Wechseln zwischen Traum- und Tiefschlaf begleitet, welche zumindest bis zum Ende der Schwangerschaft bestehenbleiben. Zudem kann das Baby für das ganze Leben stressempfindlicher werden. Wenn sich im Blut des Babys erhöhte Stresshormone befinden, denkt der Körper - bildlich gesprochen - diese erhöhten Werte seien normal. Erhöhte Stresshormonspiegel und häufige Wechsel der Schlafstadien sind auch ein Zeichen einer depressiven Erkrankung, so dass dies erklärt, warum Stress während der Schwangerschaft ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression im späteren Leben sein kann.

Warum ist der Traumschlaf wichtig?

Schwab: Während sich das Gehirn im Tiefschlaf erholt, ist es im Traumschlaf sogar noch aktiver als beim Wachsein. Wir wissen noch nicht genau, was für eine Bedeutung diese Aktivität hat, aber sie scheint auch für die Entwicklung des Gehirns wichtig zu sein - für die Bildung von Synapsen. Wenn man eine hohe Aktivität hat, bilden sich viele Synapsen. Die Synapsenbildung findet insbesondere während der Hirnreifung statt. Passend hierzu nimmt der Traumschlaf zur Geburt etwa fünfzig Prozent des Schlafes ein und nimmt bis zum Erwachsensein auf etwa zwanzig Prozent ab. Das ließ vermuten, dass der Anteil von Traumschlaf vor der Geburt noch viel höher ist und dass er möglicherweise sehr früh während der Hirnentwicklung entsteht. Wir haben herausgefunden, dass sich der Tiefschlaf entgegen dieser Annahme wesentlich früher als der Traumschlaf entwickelt. Die Anregung des Gehirns im Traumschlaf kann also erst am Ende der Schwangerschaft eine Rolle spielen.

Wie haben Sie das herausgefunden?

Schwab: Die Reifung der Schlafstadien im Mutterleib kann man nur schlecht untersuchen. Man kann zwar auf dem Ultraschall sehen, dass sich die Schlafstadien beim Menschen zwischen der 28. und 36. Schwangerschaftswoche entwickeln, aber man kommt natürlich nicht mit einem EEG an die Hirnaktivität ran. Daher braucht man ein Tiermodell. Man kann das sehr gut am Schaf nachvollziehen, bei dem Trächtigkeit und fetale Hirnentwicklung der menschlichen Schwangerschaft und der Hirnentwicklung des Babys sehr ähnlich verlaufen.

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