Rückschlag im Kampf gegen Polio: Zwei Fälle in der Ukraine

Genf/Berlin (dpa) - Erstmals seit vielen Jahren ist die Kinderlähmung in Europa wieder aufgetaucht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat zwei Fälle von Polio (Poliomyelitis) in der Ukraine bestätigt.

Rückschlag im Kampf gegen Polio: Zwei Fälle in der Ukraine
Foto: dpa

Zwei kleine Kinder aus dem Südwesten des Landes im Alter von vier Jahren und von zehn Monaten seien erkrankt, teilte die WHO in Genf mit. Den Angaben zufolge war 2014 lediglich die Hälfte der Kinder in der Ukraine gegen die Kinderlähmung geimpft.

„Das ist ein Rückschlag“, sagte der Sprecher des Polio-Bekämpfungszentrums der WHO, Oliver Rosenbauer, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings stünden die Chancen gut, den Ausbruch einzudämmen. „Das Virus ist nicht so aggressiv. Jetzt kommt es auf eine schnelle und umfassende Impfaktion an.“

Eine Ausbreitung auf die Nachbarländer Polen und Slowakei hält Rosenbauer für eher unwahrscheinlich. Dort seien sehr viele Kinder geimpft. Das Problem der Ukraine sei, dass die Impfungen gegen Polio gerade in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen seien. „Nicht wenige haben Zweifel an der Sicherheit von Impfstoffen“, sagte Rosenbauer. Neben den beiden erkrankten Kindern gebe es eine unbekannte Anzahl von Menschen, die das Virus in sich trügen und es übertragen könnten.

Kinderlähmung ist eine hoch ansteckende Krankheit. Sie trifft nach WHO-Angaben vor allem Kinder unter fünf Jahren. Eine von 200 Infektionen mit dem Poliovirus führt zu dauerhaften Lähmungen. Etwa fünf bis zehn Prozent der Gelähmten sterben, weil ihre Atemmuskeln unbeweglich werden. Die Krankheit ist unheilbar. Einer Ansteckung kann aber mit Impfungen vorgebeugt werden.

Die WHO hatte 1988 ein globales Programm zur Ausrottung der Kinderlähmung gestartet. Die Zahl der Infektionen ist seither um weit mehr als 99 Prozent zurückgegangen.

In Deutschland gab es nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 1990 die letzte Polio-Erkrankung durch ein Wildvirus. Die letzten beiden importierten Fälle - aus Ägypten und Indien - wurden 1992 registriert. Laut RKI könnten Polioviren durch Einreisende aus der Ukraine eingeschleppt werden. Die Gefahr einer Ausbreitung des Erregers in Deutschland stuft die Behörde aufgrund der hohen Impfquoten hierzulande aber als gering ein.

2010 hatte es einen Polio-Ausbruch in Tadschikistan gegeben. In dem Land und Nachbarstaaten starben 29 Menschen. Tadschikistan zählt zur WHO-Region Europa.

Insgesamt ist die WHO zuversichtlich, die Krankheit besiegen zu können. Weltweit seien in diesem Jahr bisher nur 38 Fälle - vor allem in Pakistan und Afghanistan - gezählt worden, sagte Rosenbauer. „Wir sind näher dran als je zuvor.“ Allerdings dränge die Zeit, denn die Intensität der Impfkampagnen lasse sich nicht auf Dauer aufrechterhalten. Sollte die Krankheit nicht in nächster Zeit wirklich ausgerottet sein, drohe ein Wiederaufflammen. Das würde rund 200 000 Erkrankte jedes Jahr bedeuten. „Wir müssen den Job jetzt erledigen.“

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