Wenn die Halsarterie dicht ist - Schlaganfallgefahren erkennen

Berlin (dpa/tmn) - Schlaganfälle zählen zu den Volkskrankheiten. Wer die Ursachen dafür kennt, ist besser dagegen gewappnet. Oft liegt es an Gefäßproblemen, etwa einer verkalkten Halsschlagader.

Er ist nach Krebs- und Herzerkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland: der Schlaganfall. Auf etwa 270 000 Fälle pro Jahr beläuft sich die Zahl der auch als Hirnschlag oder Hirninfarkt bezeichneten Erkrankung. Bei 200 000 der Patienten tritt der Schlaganfall nach Angaben der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zum ersten Mal auf. Die Ursachen sind unterschiedlich, mit 85 Prozent ist eine Mangeldurchblutung des Gehirns der häufigste Grund. Diese kann darauf beruhen, dass eine der Halsschlagadern verkalkt ist (Arteriosklerose).

„Die beiden Halsschlagadern speisen das Gehirn mit Blut und verteilen es auf die kleineren Gefäße“, erklärt Prof. Martin Grond vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Berlin. Eine gewisse Verkalkung, also Ablagerung verschiedener Stoffe wie Cholesterin, Bindegewebe, Blutzellen und Kalksalze, könne dazu führen, dass weniger Blut über dieses Gefäß ins Gehirn gelangt. Das muss allerdings nicht bedrohlich sein, da die anderen Arterien diesen Mangel ausgleichen können. „Das zweite Problem aber ist, dass durch die Verengung ein höherer Druck auf die verengte und zerklüftete Arterie entsteht, der die Kalkteilchen in das Gehirn schleudert, wo sie kleinere Gefäße verstopfen und so zu einem Schlaganfall führen können“, erklärt der Neurologe.

„Im Laufe der Jahre kommt es bei den meisten Menschen zu Gefäßablagerungen“, sagt Prof. Wolf Schäbitz von der Deutschen Schlaganfall-Hilfe, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Evangelischen Krankenhaus Bielefeld. Doch wie kann man sich davor schützen? Vorbeugen lasse sich mit einem gesunden Lebensstil, also ausreichend Bewegung - mindestens 20 bis 30 Minuten täglich - und einer nicht zu fettreichen Ernährung, sagt er. „Bei Menschen ohne Risikofaktoren reicht das als Prävention häufig schon aus.“

Doch daneben gibt es Risikofaktoren, die manchen Menschen besonders zu schaffen machen. Dazu zählen Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht, Nikotinkonsum und genetische Vorbelastungen. „Richtig dramatisch wird es, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenkommen“, warnt Ingo Flessenkämper von der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin. Bei einem rauchenden Diabetiker verdoppele sich nicht nur das Risiko eines Schlaganfalls, sondern potenziere sich um ein Vielfaches.

Wird die Arteriosklerose früh genug erkannt, lässt sie sich mit Medikamenten und einer Änderung des Lebensstils gut beherrschen. „Um die Gefäßwände zu glätten und damit einen guten Blutfluss zu gewährleisten und ein Absprengen der Ablagerungen zu vermeiden, sind Medikamente zur Blutdrucksenkung, Cholesterinsenkung und gegebenenfalls Blutverdünnung sinnvoll“, erklärt Grond. Geringe Verkalkungen an der Halsschlagader seien bei einer frühen Diagnose also nicht so schlimm. Gefährlich werde es, wenn erstmals Symptome eines Schlaganfalls auftreten, auch wenn sie nur wenige Minuten andauern. Dann müsse operiert oder ein sogenannter Stent eingesetzt werden, der das Gefäß stützt und somit offen hält.

Gefäßchirurg Flessenkämper unterscheidet zwischen symptomatischen und asymptomatisch auftretenden Schlaganfällen. „Symptomatische Fälle, also wenn der Patient Risikofaktoren aufweist und schon Probleme hatte, sind hochgradig gefährlich, weil nicht der geringe Blutfluss das vorrangige Problem ist, sondern die Streuung aus der Ablagerung“, erläutert er. Treten Symptome auf und beläuft sich die Verengung auf mehr als 70 Prozent, sollte innerhalb von zwei Wochen operiert werden, damit weitere, dann vielleicht schwerwiegende Schlaganfälle vermieden werden. „Dann brennt es, und die Ablagerungen sollten therapiert werden“, sagt Flessenkämper.

Ist es ein asymptomatischer Fall, hatte der Patient trotz vermehrter Ablagerungen bislang keine Probleme. „Dann kann man überlegen, ob man die Folgen und das Risiko eines neuen Schlaganfalls mit Medikamenten eindämmen kann. Die offizielle Empfehlung für eine OP liegt bei 70 Prozent Verengung, wir bei uns in der Klinik raten ab 80 Prozent zu einer OP“, erklärt er. Dann stehen zwei Alternativen zur Wahl: das operative Entfernen der Ablagerung oder das Setzen von Stents. Dabei raten die Experten in der Regel zum Entfernen. „Das Risiko eines Schlaganfalls ist bei der Entfernung geringer.“

Zudem entstehen laut Flessenkämper nach der Operation sehr selten an gleicher Stelle wieder Ablagerungen. Doch Entwarnung bedeutet das nicht automatisch: „Eine Verengung der Halsschlagader ist oftmals nur die Spitze des Eisbergs und deutet auf Gefäßprobleme hin“, warnt Grond. So sei auch die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes durchaus hoch. „Man darf nicht dem Irrglauben verfallen, dass alles gut ist, sobald die Ablagerung an der Halsschlagader entfernt wurde“, sagt Grond. Ein gesunder Lebensstil sei sowohl zum Vorbeugen als auch zur Nachsorge die sinnvollste Therapie.

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