Ein echter Schatz - Antiquitätenkauf ist eine Kunst

Drestedt (dpa/tmn) - Die Kommode wurde zersägt und das Holz neu verbaut: Aus einem Originalmöbel aus dem 19. Jahrhundert werden so schnell drei vermeintlich sehr alte Möbel. Wer Antiquitäten kaufen will, muss sich vor solchen Tricks in Acht nehmen.

Eine Biedermeier-Kommode oder ein Stuhl aus dem Barock stehen neben Designermöbeln: Diesen Einrichtungsmix gibt es nicht nur in Familien, in denen exquisite Möbel seit Generationen weitergereicht werden. Mancher kombiniert gerne modernes Mobiliar mit außergewöhnlichen alten Einzelstücken. Für andere sind antike Möbel Luxusgüter und Sammelobjekte. „Doch Antiquitäten als Kapitalanlage zu erwerben, ist sehr risikoreich“, sagt Hermann Specht vom Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels im niedersächsischen Drestedt.

Denn aktuell gibt es eine große Generation der Erben, die das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute Vermögen der Eltern erhalten. Diese stellen nach Spechts Beobachtung meist nur ein, zwei alte Stücke in ihre sonst geradlinig und modern ausgestatteten Wohnungen. Alles andere werde verkauft - und durch zahlreiche Haushaltsauflösungen sei der Markt für antike Möbel übersättigt. Der Marktwert von manch schönem Sammlerstück sei geradezu spektakulär gefallen, erläutert Verbandspräsident Specht.

Gute Preise erzielen historische Möbel von guter Qualität, sagt die Münchner Kunsthistorikerin Ingrid Petersen, die den Wert alter Möbel begutachtet. Denn dafür gebe es auch Abnehmer zum Beispiel in Russland und Asien. Schwer verkäuflich seien große und wuchtige Möbel, denn viele Wohnungen seien zu klein für solche Stücke. Auch für Barock-Möbel gebe es wenig Interessenten.

Was bei Möbeln als Antiquität gilt, ist nicht genau definiert. „Juristisch betrachtet gehören alle Möbel dazu, die mehr als 100 Jahre alt sind“, erklärt Specht. Wertvoll und erhaltenswert seien Möbel aber nicht allein wegen ihres Alters. Nur Stücke, die besonders schön und selten sind, eigneten sich als Sammlerstücke. Wichtig für Käufer ist außerdem: Alte Stücke dürfen nur als Original bezeichnet werden, wenn im Laufe der Jahre maximal bis zu 30 Prozent des Möbels erneuert worden sind.

Um beim Kauf auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt Specht Verbrauchern, sich auf renommierten Fachmessen für Kunst und Antiquitäten umzusehen. Dort überprüfe der Veranstalter die Verkäufer. Auch der Restaurator Manfred Sturm-Larondelle aus Berlin rät von Spontankäufen kategorisch ab - selbst wenn sich ein Interessent noch so sehr in ein altes Möbel verguckt habe, es ein unverhofftes Schnäppchen sei oder es mehrere Kaufinteressenten gebe. Denn ein Laie könne selten den Wert eines alten Möbels erkennen. Sturm-Larondelle empfiehlt, vor dem Kauf eines wirklich teuren Objekts wie auch vor einer Restaurierung einen Fachmann hinzuzuziehen.

Dieser könne manchmal schon anhand eines Fotos den Zustand, das tatsächliche Alter und den Wert des Möbels einschätzen. „Ein alter Hase weiß oft instinktiv, dass mit einem Möbel etwas nicht stimmt“, sagt der Restaurator mit über 30-jähriger Berufserfahrung. So könne es sein, dass das Stück im Laufe der Zeit etwa mit modernen Materialien wie Polyesterlack oder Weißleim unsachgemäß behandelt wurde. Die Folge: „Eine Restaurierung ist in solchen Fällen meist nicht mehr möglich und das Möbelstück so gut wie wertlos“, sagt Sturm-Larondelle.

Fälschungen können enttarnt werden - und das kann Geld sparen. Wertvolle alte Möbel können mehrere tausend Euro kosten. Sturm-Larondelle nimmt für eine Beratung etwa 80 bis 100 Euro. „Nicht zuletzt durch den Antiquitätenboom in den 1960er und 1970er Jahren werden alte Möbel angeboten, die in großen Teilen oder sogar ganz gefälscht sind“, berichtet der Fachmann. Er nennt ein kurioses Beispiel aus der Praxis: Ein wuchtiger Eckschrank im Stil der Zeit der englischen Queen Victoria (1819-1901) wurde zerlegt. Die Fälscher bauten aus dem Material drei handliche Möbel. Zwar sind diese aus altem Holz, aber es sind eben keine Originale.

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