Naturschauspiel: Supertide am Mont-Saint-Michel

Mont-Saint-Michel (dpa) - Die Kräfte von Sonne und Mond haben zwei Naturereignisse ausgelöst: Nach der von vielen Millionen Menschen bewunderten Sonnenfinsternis strömten die Massen am Wochenende in Nordfrankreich zum Klosterberg Mont-Saint-Michel.

Naturschauspiel: Supertide am Mont-Saint-Michel
Foto: dpa

Dort bot sich das Schauspiel einer „Jahrhundert-Tide“.

Die Zuschauer kamen auf ihre Kosten und konnten einen bisher einmalig hohen Tidenhub bestaunen. Der Grund für das Schauspiel: Stehen Sonne, Mond und Erde in einer Linie, dann verstärken sich die Gezeitenströme, Ebbe und Flut fallen besonders stark aus.

An der gesamten französischen Westküste zog die besonders hohe Tide viele Neugierige an. Zwei Muschelsammler verunglückten allerdings tödlich, als sie bei abfließenden Wasser auf die Suche nach Schalentieren gingen und mitgerissen wurden.

Das Naturereignis erreichte am Samstagabend seinen Höhepunkt. Etwa 30 000 Touristen, so viele wie noch nie an einem Tag am Abteifelsen Mont-Saint-Michel, verfolgten die Rekordtide. Das Wasser kam auf den bislang höchsten gemessenen Flut-Koeffizienten 119 von 120, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Zwischen Ebbe und Flut lag ein Unterschied von 14,5 Metern, war vorab errechnet worden, höher als ein vierstöckiges Haus.

Das Spektakel an dem jährlich von etwa drei Millionen Touristen besuchten Kulturerbe-Monument hatte sogar den aus Paris angereisten Außenminister Laurent Fabius angezogen. Er ist für den französischen Tourismus zuständig - und der Mont-Saint-Michel ist ein besonders attraktives Juwel des an beliebten Monumenten nicht armen Landes.

Auch wenn keine Saison ist, kommen täglich bis zu 5000 Besucher aus aller Welt zu dem Felsen, der pittoresk an der Schnittstelle zwischen Bretagne und Normandie liegt. An diesem Wochenende waren sie ein Vielfaches mehr. Einheimische zeigten sich dagegen weniger beeindruckt von der Flut, berichtete der Radio-Sender France-Info.

„Dieses Tiden-Phänomen erleben wir alle 18 Jahre“, wurde der Wissenschaftler Eric Langlois vom Nationalen Hydrographischen Dienst nicht müde, immer wieder zu erklären: „Es tritt dann auf, wenn die Sonne und der Mond in einer Linie mit der Erde sind.“ Was in Frankreich nicht ganz korrekt „Jahrhundert-Tide“ genannt wurde, ereignet sich also bereits wieder im März 2033 und März 2051.

Das Naturschauspiel ist am Mont-Saint-Michel so gut zu beobachten, weil dort die Halbinsel Cotentin am höchsten Punkt der Normandie und die bretonische Küste wie eine Art Trichter für das in den Ärmelkanal strömende Wasser wirken. Schon zu normalen Zeiten ist der Tidenhub hier deutlich höher als etwa an der Atlantikküste.

Die immense Wasserflut war auch an anderen Küstenabschnitten der Bretagne und der Normandie zu bewundern. So in Saint-Malo, das wegen seines historischen, von drei Seiten vom Wasser umspülten Stadtkerns und der beeindruckenden Festungsanlagen ein weiterer Touristenmagnet ist. Vorsichtshalber jetzt mit Sandsäcken gesichert, kennt der Ort an der Smaragd-Küste das Phänomen des riesigen Tidenunterschieds gut. Er nutzt diesen bereits seit langem in einem großen Gezeitenkraftwerk.

Zurück zum nordwestfranzösischen Berg der Berge, zu dem schon am Freitagabend 10 000 Schaulustige für eine erste hohe Flut angereist waren: Am Wochenende machten dann - neben der üblichen Beleuchtung von Felsen und Mauerwerk - nach dem Sonnenuntergang 60 Scheinwerfer entlang der schmalen Brücke die Wassershow noch märchenhafter. Wer diese verpasste, der kann in 18 Jahren zur nächsten Supertide kommen.

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