Alkoholkonsum: Wenn aus Genuss eine Sucht wird

Gesundheitsrisiko Alkohol: Wann die Alarmglocken schrillen sollten.

Düsseldorf. Sekt-Frühstück am Sonntag, Feierabendbier, ein Glas Wein zur Abrundung eines Menüs — Alkohol gilt in vielen Lebenslagen als Sahnehäubchen. Solange er nicht zum permanenten Begleiter wird, ist dagegen nichts einzuwenden. Doch wie viel Alkohol ist in Ordnung? Wann wird aus dem Genuss eine Sucht?

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Frauen, nicht mehr als zehn Gramm Alkohol an höchstens fünf Tagen in der Woche zu sich zu nehmen, bei Männern liegt der Wert bei 20 Gramm — das entspricht einem halben bis einem Glas Wein. Laut Robert Koch Institut (RKI) überschreiten 16 Prozent der Frauen und 31 Prozent der Männer diese Grenzwerte regelmäßig. Die Folge ist ein erhöhtes Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen, Leberzirrhose sowie Tumoren.

Anja Vennedey leitet die Suchtberatungsstelle der Diakonie Düsseldorf. Dort werden pro Jahr etwa 1000 Menschen beraten, bei denen aus dem Genussmittel eine Droge geworden ist — oft schleichend und über Jahre hinweg. Die Therapeutin sagt: „Nicht jeder, der viel trinkt, ist abhängig.“ Als Indikator für eine Sucht gilt der sogenannte Cage-Test, der aus vier Fragen besteht (siehe Kasten). Wenn zwei von ihnen mit Ja beantwortet werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Alkoholmissbrauch vorliegt.

„Wer viel trinkt, sollte sich fragen, wofür er den Alkohol einsetzt. Kann er dadurch Konflikte wegschieben, leichter auf andere Menschen zugehen, besser schlafen oder Druck abbauen — all das sind Indizien für abhängiges Trinken“, sagt Anja Vennedey. Das RKI kritisiert, dass immer häufiger mit positiven Wirkungen von Alkohol geworben werde. Rotwein gelte schon fast als gesund (Foto: dpa).

Fest steht: Alkohol hat wasser- und fettlösliche Eigenschaften, kann dadurch in jede Körperzelle eindringen und jedes Organ schädigen. Laut RKI entstehen durch alkoholbedingte Erkrankungen und Todesfälle jedes Jahr ökonomische Folgekosten in Höhe von 20,5 Milliarden Euro.

Anja Vennedey weiß, dass Trinksucht keine Frage des Alters oder des sozialen Status ist. „Wir beraten Menschen von Anfang 20 bis über 70 — vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Professor.“ Ein zunehmendes Problem sei Sucht im Alter. „Menschen, die nach dem 60. Lebensjahr abhängig werden, suchen oft eine Neuorientierung im Ruhestand und fühlen sich einsam.“ Die Therapeutin ist überzeugt, dass dieses Phänomen die Suchthilfe in den kommenden Jahren immer intensiver beschäftigen wird.

Ein Drittel der Hilfesuchenden in Düsseldorf sind Frauen. „Für sie ist die Schamgrenze höher“, weiß Anja Vennedey. Ihre Sucht spiele sich häufiger im Verborgenen ab. Die Düsseldorfer Suchtambulanz bietet neben der Erstberatung eine ambulante Therapie an, die abends begleitend zur Arbeit stattfindet. Daneben betreibt sie eine Tagesklinik. Wer dem Alkohol abgeschworen hat, sollte auch Angehörige bitten, zu Hause keine Spirituosen zu horten. Anja Vennedey erklärt: „Wer nachts um drei Uhr zur Tankstelle aufbricht, kann sich unterwegs noch anders entscheiden. Wer nur zum Kühlschrank gehen muss, hat diese Möglichkeit oft nicht mehr.“

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