Wenn das Gehör nachlässt

Jeder Fünfte ist betroffen — selbst schwere Fälle lassen sich fast immer mit Erfolg behandeln.

Düsseldorf. Schwerhörigkeit ist in Deutschland weit verbreitet. Geschätzt leiden rund 20 Prozent aller Erwachsenen unter einem Hörverlust. Bei mehr als der Hälfte sind die Auswirkungen aber so gering, dass im Einzelfall auch eine Abklärung durch einen HNO-Arzt ausreicht.

Und auch für diejenigen Patienten, die unter größeren Problemen leiden, gibt es Hoffnung: Selbst hochgradige Schwerhörigkeit, sogar Taubheit ist heute in fast allen Fällen therapierbar.

„In keinem anderen Fachgebiet ist es derzeit in gleicher Weise möglich, eine Sinnesfunktion mit technischen Hilfsmitteln so weit wiederherzustellen“, sagt Angelika Borrmann, Oberärztin an der HNO-Klinik des Uni-Klinikums Düsseldorf.

Bei den Ursachen für Hörstörungen — dies ist der Oberbegriff für alle Arten — tappt die Wissenschaft noch weitgehend im Dunkeln. Sicher ist, dass Lärm eine große Rolle spielt. Weitere Faktoren können zum Beispiel Vererbung oder Stress sein, bei plötzlichem Hörverlust auch eine Infektion oder ein Trauma sowie äußerst selten gutartige Tumore oder auch eine Multiple Sklerose.

In fast allen Industrieländern sind Hörstörungen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf dem Vormarsch. Ein Grund dürfte die demografische Entwicklung und damit die Zunahme von Schwerhörigkeit im Alter sein. Forscher sehen aber auch im veränderten Freizeitverhalten von Jugendlichen mit zum Teil exzessiver Lärmbelastung eine Ursache.

Am weitesten verbreitet ist die sogenannte Altersschwerhörigkeit. 40 Prozent aller Über-50-Jährigen leiden an einer solchen Verschlechterung. Sie entsteht vor allem durch Alterungsvorgänge im Innenohr und „Abnutzung“.

Da sie aber schleichend beginnt, bemerken sie viele Betroffene zunächst gar nicht. Sie gewöhnen sich an das schlechtere Hörvermögen. Hier können Hinweise von Verwandten helfen, wenn zum Beispiel der Fernseher immer lauter eingestellt wird.

Angelika Borrmann rät Betroffenen, sich selbst bei nur geringem Hörverlust von einem Facharzt untersuchen zu lassen — auch, um andere Ursachen auszuschließen. Ab einem gewissen Hörverlust kann ein Hörgerät den Alltag enorm erleichtern.

Bei Kindern kann Hörverlust besonders gravierende Folgen haben, da sie ihr Gehör auch zum korrekten Spracherwerb benötigen. „Eltern sollten bei Auffälligkeiten unbedingt einen HNO-Arzt aufsuchen — auch wenn es nur sporadisch Probleme gibt“, rät Borrmann.

Bei einem plötzlichen Hörverlust — dem „Hörsturz“ — der mit Schwindel auftreten kann, ist zügiges Handeln gefragt. Binnen 24 bis 48 Stunden sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden. Angelika Borrmann betont: „Oft gibt es auch ganz harmlose Ursachen, wie zum Beispiel einen Pfropfen im Ohr.“

Liegt ein Hörsturz vor, kann eine Therapie mit Kortison oder durchblutungsfördernden Mitteln helfen. Insbesondere bei geringeren Hörverlusten und bei solchen im Tieftonbereich komme es auch in bis zu 70 Prozent der Fälle zu einer Spontanheilung.

Rund vier Prozent leiden unter einem Tinnitus: permanenten Ohrgeräuschen, zumeist verbunden mit einem Hörverlust. Zu Beginn können diese ähnlich wie ein Hörsturz behandelt werden.

Ist das Geräusch auch nach drei Monaten nicht verschwunden, ist von einem chronischen Leiden auszugehen. „In solchen Fällen kann man erlernen, den Ton zu ignorieren“, sagt Borrmann. Mit der Retraining-Therapie ließen sich oft gute Ergebnisse erzielen. In Zusammenarbeit mit HNO-Ärzten und Psychotherapeuten werde dabei ein Gewöhnungsprozess an das Geräusch gefördert.

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