Tiger statt Wellensittich - Exoten als Haustiere

Ochsenhausen (dpa) - Wellensittich? Zu langweilig. Katze oder Hund? Kann ja jeder. Exoten als Haustiere sind begehrt. Doch lässt sich eine Schlange, ein Chamäleon oder gar ein Tiger überhaupt artgerecht halten?

Tiger statt Wellensittich - Exoten als Haustiere
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Ochsenhausen (dpa) - Wellensittich? Zu langweilig. Katze oder Hund? Kann ja jeder. Exoten als Haustiere sind begehrt. Doch lässt sich eine Schlange, ein Chamäleon oder gar ein Tiger überhaupt artgerecht halten?

Imara zieht mit den Zähnen am Computerkabel. „Nein, lass das“, sagt Roland Rohr. Er schiebt das junge Tier sanft zur Seite. Es wedelt mit dem Schwanz, schleckt seinem Besitzer kurz die Hand - und rennt gleich wieder zum Computer. Für das Zusammenleben mit Tieren braucht man manchmal gute Nerven. Für Imara gilt das doppelt: Sie ist ein acht Wochen alter Bengal-Tiger.

„Ein paar Wochen können wir sie noch im Haus behalten, dann muss sie in ein eigenes Gehege“, sagt Rohr. Imara lebt bislang wie ein Hund bei dem 56-Jährigen und seiner Lebensgefährtin in der Wohnung. Sie folgt auf dem Fuß, schmust, beschnuppert neugierig ihre Umwelt - und fällt gerne mal über Gardinen her. Dass das Tigerjunge so zutraulich ist, hat einen Grund: Seit seiner Geburt auf Rohrs Hof bei Ochsenhausen in Baden-Württemberg wird es mit der Hand aufgezogen.

Seine beiden Geschwister, Vater Raja und Mutter Rani sind in einem Außengehege untergebracht. Sie sind nicht allein: Rund 80 Tiere leben auf dem vier Hektar großen Gelände, darunter ein Puma, ein Ozelot, Waschbären, ein Eichhörnchen und Stinktiere.

Rohr ist als Halter exotischer Tiere in Deutschland kein Einzelfall: Es gibt Farmen mit Straußen und Kamelen. Menschen leben mit Geckos, Chamäleons oder Leguanen zusammen. Private Tierhalter versorgen Lamas oder gar Kängurus.

Exotische Tiere sind begehrt. Statistiken zur Haltung gibt es nicht. Allein 840 000 Reptilien würden jährlich nach Deutschland eingeführt, berichtete die Zeitschrift „National Geographic Deutschland“ kürzlich. Die Schwarzmarkt-Verkäufe liegen nach Angaben von Tierschutzverbänden bei einigen Millionen.

Was muss man vorlegen, wenn man beispielsweise ein Chamäleon kaufen möchte? „Nichts“, sagt die Landestierschutzbeauftragte Baden-Württembergs, Cornelie Jäger. „Außer vielleicht ein Transportbehältnis.“ Nur wenn ein Tier unter das Artenschutzübereinkommen Cites fällt, muss der Kauf gemeldet, müssen Nachweise zur Herkunft vorgelegt werden.

Viele Tiere seien sogar im Internet zu bekommen, sagt Jäger. „Es gibt Händler, die - platt gesagt - den schlichten Überschuss der Zoos vermarkten.“ Die Gründe, exotische Tiere zu halten, seien vielfältig. „Es gibt zum Beispiel den fachlich hochinteressierten Experten, dem es um eine tiergerechte Nachzucht seltener Tierarten geht.“ Bei anderen Haltern handle es sich eher um die Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls oder aber um falsch verstandenen Tier- und Artenschutz.

Roland Rohr kann nicht genau erklären, warum ihn wilde Tiere so faszinieren. „Das ist eine Macke“, sagt er. Für ihn seien Tiere seit der Kindheit wichtig, „das gehört einfach zu meinem Leben.“ Vor einigen Jahren kaufte er den Hof, auf dem er nach eigenen Angaben nur Zuchttiere hält, die nachweislich nicht in der Wildbahn geboren sind. Um seine Exoten artgerecht versorgen zu können, hat der gelernte Maschinenbauer zusätzlich eine Tierpflegerprüfung abgelegt.

Laien schätzten die Entwicklung exotischer Tiere oft nicht richtig ab, warnt Jäger. „Ein Graupapagei wird 50 bis 60 Jahre alt - wenn man den mit 30 Jahren kauft, muss man heute schon überlegen, wer das Tier eines Tages übernimmt.“ Sie wünsche sich eine spezielle Verordnung für die Haltung verschiedener Tiere. In manchen Bundesländern oder Kommunen gebe es bereits Listen mit Arten, die wegen der Gefahrenlage nicht zulässig seien - zum Beispiel bestimmte Schlangen. „Ich fände es aber sehr gut, wenn wir eine Verordnung hätten, die das Thema auch aus Sicht des Tierschutzes bewerten würde.“

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