Oberlandesgericht Urteil: Höhere Grenzwerte für Geruchsbelästigungen in ländlichen Gebieten

Frische Landluft oder schon Geruchsbelästigung? Mit der Frage, wie sehr es in der Nähe von Tierställen miefen darf, haben Richter in NRW am Montag mehr Klarheit geschaffen. Wer selbst Landwirt ist oder lebt, wo Tiergeruch ortsüblich ist, muss mehr aushalten.

Am Montag gaben die obersten Verwaltungsrichter grünes Licht für die Vergrößerung zweier Hähnchenmastanlagen in nur 200 Metern Entfernung seines Hofes bei Weeze im Kreis Kleve. Ein Landwirt hatte dagegen geklagt.

Am Montag gaben die obersten Verwaltungsrichter grünes Licht für die Vergrößerung zweier Hähnchenmastanlagen in nur 200 Metern Entfernung seines Hofes bei Weeze im Kreis Kleve. Ein Landwirt hatte dagegen geklagt.

Foto: Stefan Sauer

Münster/Weeze (dpa) - Albert Gleumes stinkt es schon jetzt gewaltig, doch der Landwirt vom Niederrhein wird noch stärkeren Gestank erdulden müssen: Am Montag gaben die obersten Verwaltungsrichter grünes Licht für die Vergrößerung zweier Hähnchenmastanlagen in nur 200 Metern Entfernung seines Hofes bei Weeze im Kreis Kleve.

Die Richter vertraten in den Grundsatzurteilen zu seinem und einem weiteren Fall die Auffassung, dass Anwohner in sehr ländlicher Umgebung mehr Geruchsbelästigungen in Kauf nehmen müssen als etwa in Dörfern. Vorausgesetzt landwirtschaftliche Tiergerüche haben dort Tradition, gelten für Tiermastbetriebe in ansonsten spärlich bewohnten Gebieten nach dem Urteil höhere Grenzwerte für Geruchsbelästigungen als sonst im ländlichen Raum.

Dies sei in den Fällen im Kreis Kleve gegeben, urteilten die Richter. Mehr noch: Die beiden Kläger waren oder sind selbst Landwirte, betrieben Schweinemast: „Sie haben zumindest in der Vergangenheit selbst in nicht unerheblichem Maße zur Geruchsbelästigung beigetragen“, sagte der Vorsitzende Richter. Da sei es erst recht kein Argument, dass die eigenen Schweine schon genug zur Geruchsbelastung beitragen. „Gerüche aus eigener Tierhaltung müssen außen vorgelassen werden“, so die Kammer des Gerichtes in Münster.

Zuvor hatten die Richter sich in langer mündlicher Verhandlung der Frage genähert, was bei der Bestimmung von Gestank beachtet werden muss. Jede Nase ist anders, betonen auch Geruchsforscher. „Gestank zu messen ist sehr schwierig. Man kann die Konzentration und chemische Zusammensetzung eines Duftes bestimmen, aber nicht, ob Menschen ihn mögen“, sagte Prof. Hanns Hatt, Inhaber des Bochumer Lehrstuhls für Zellphysiologie, der Deutschen Presse-Agentur.

In der Praxis greifen Gutachter daher auf eine vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) erarbeitete Richtlinie zurück. Für die Erstellung von Grenzwerten haben die Lanuv-Experten umfangreiche Untersuchungen mit „Durchschnittsriechern“ gemacht. Diese bestimmten, welche Gerüche besonders unangenehm sind. Dabei kam unter anderem heraus, dass landwirtschaftliche Gerüche akzeptierter sind, als zum Beispiel bestimmter Industriegestank.

Für jeden Einzelfall bestimmen die Gutachter dann anhand von Windrichtungen die Belastung vor Ort und multiplizieren sie mit einem festgelegten Faktor, der je nach Geruchsquelle unterschiedlich ist. Weil die Erfahrung zeigt, dass Hähnchenmastgerüche dreimal unangenehmer wahrgenommen werden als Gerüche aus der Rinderhaltung, schlägt sich der Geflügelgeruch dreifach nieder. Die Geruchsbelastung wird dann in sogenannten Jahresgeruchsstunden angegeben.

Mit ihrem Urteil bestätigten die Richter damit die vielfach gängige Gutachterpraxis: Grundsätzlich dürfen Gerüche im Außenbereich nicht häufiger als 15 Prozent des Jahres wahrnehmbar sein. Landwirte, wie etwa Albert Gleumes, und Anwohner in traditionell durch Tiermast geprägten und ansonsten spärlich besiedelten Regionen müssen da mehr aushalten können: Für sie gilt der Grenzwert von 25 Prozent.

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