Der tiefe Blick aufs Muttermal

Gestritten wird um die Kosten, aber auch um den Nutzen der Untersuchung. Ein Überblick.

Der tiefe Blick aufs Muttermal
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Düsseldorf. Das HautkrebsScreening — die Früherkennung — steht von zwei Seiten unter kritischer Beobachtung. Da ist zum einen die Verunsicherung von Patienten durch die Tatsache, dass nicht alle Hausärzte die Leistung wie vorgesehen kostenlos anbieten (siehe Artikel Seite 1). Und da ist die generelle Kritik am Sinn des den Versicherten gemachten Angebots der Früherkennung.

Durch die vom Hausarzt oder Hautarzt angebotene Untersuchung sollen Vorstufen von Hautkrebs und Hautkrebs im frühen Stadium erkannt werden.

Hautkrebs gehört mit etwa 18 000 jährlichen Neuerkrankungen zu den häufigen Krebsarten. Die Sterblichkeitsrate jedoch ist mit rund 2700 Toten pro Jahr niedrig. Hautkrebs ist nach Angaben des Robert-Koch-Institutes nur für ein Prozent der Krebstodesfälle verantwortlich.

Risikofaktoren sind helle Haut, große angeborene Muttermale, die Zahl später erworbener Muttermale, Hautkrebsfälle in der Familie und die Zahl der Sonnenbäder und Sonnenbrände.

Der Arzt untersucht die Haut am ganzen Körper — von der Kopfhaut bis zu den Fußsohlen. Zusätzlich zu dieser Blickdiagnostik, die jeder gesetzlich Versicherte ab 35 Jahren auf Kassenkosten in Anspruch nehmen kann, bieten Hautärzte eine Untersuchung mit einem Auflichtmikroskop an — dem Dermatoskop. Diese Zusatzleistung lassen sie sich meist extra als sogenannte Igel-Leistung vergüten. (siehe Seite 1). Es gibt aber auch Krankenkassen, bei denen diese Leistung mit in der Regelversorgung abgegolten ist. Man sollte diese Frage am besten vor dem Arzttermin mit seiner Kasse klären.

„Mit Hilfe des Dermatoskops wird eine erhöhte Treffsicherheit bei der Verdachtsdiagnose erreicht“, sagt Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbands Deutscher Dermatologen (BVVD). Der Mönchengladbacher Hautarzt betont, durch die deutlich höhere Auflösung könnten zusätzliche Charakteristika der Haut erkannt werden, zum Beispiel leichte Grauschimmer bei bösartigen Veränderungen.“ Durch die Dermatoskopie, so argumentieren die Hautärzte, könnten die Zahl der Probeentnahmen und die nachfolgenden feingeweblichen Untersuchungen präziser als bei der reinen Blickdiagnostik auf die medizinisch unerlässlichen Fälle begrenzt werden.

Angeboten wird die sogenannte Videoskopie, die auch schon mal bis zu 100 Euro kosten kann. Der gesetzlich Versicherte muss sie selbst bezahlen. Vorteil: Hier ist eine Verlaufskontrolle möglich. Ein Vergleich mit den Daten einer früheren Untersuchung kann nämlich zeigen, ob neue Muttermale hinzugekommen sind oder ob sich bestehende verändert haben.

Kritiker verweisen darauf, dass hier großen Personengruppen medizinische Leistungen angeboten werden, von denen die meisten gesund sind und nie erkranken werden. So nutzten im Jahr 2009, ein Jahr nach Einführung des Anspruchs auf die Untersuchung, rund 6,4 Millionen Versicherte das Angebot, das für die Kassen mit mehr als 21 Euro pro Fall zu Buche schlägt. Ein Jahr zuvor waren es noch unter drei Millionen gewesen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss, der Entscheidungen zu Fragen der gesundheitlichen Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung trifft, hat in diesen Tagen einen sogenannten Evaluationsbericht über das HautkrebsScreening veröffentlicht. „Aufgrund der vergleichsweise kurzen Laufzeit“, so heißt es dort, „können derzeit noch keine Aussagen zum Nutzen des Screenings hinsichtlich einer Reduktion der Hautkrebsmortalität gemacht werden.“

Daraus zu schließen, das Hautkrebs-Screening sei ein Misserfolg und daher überflüssig, weist der Dermatologen-Verband aber zurück: „Wenn bei steigender Zahl von Neuerkrankungen die Mortalitätsrate (Zahl der Todesfälle) nahezu unverändert bleibt, bedeutet dies: Das Hautkrebs-Screening rettet Menschenleben.“

Auch verweisen die Hautärzte darauf, dass es bei dem Screening nicht nur um das Senken der Mortalitätsrate geht, sondern auch darum, dass früh erkannte Veränderungen entsprechend früher behandelt werden könnten und möglicherweise verstümmelnde Eingriffe verhindert würden. Das verringere Belastungen für die Patienten.

Auch der Verband der Gesetzlichen Krankenkassen sagt: „Es gibt Hinweise, dass durch ein Screening der Diagnosezeitpunkt bei Hautkrebs vorverlegt werden kann.“ Je früher ein Hautkrebs entdeckt werde, desto schonender, effektiver und kostengünstiger könne er in der Regel therapiert werden. Diesem potenziellen Nutzen stehe ein als gering einzuschätzender Schaden durch eventuelle Überdiagnostik und -therapie gegenüber.

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