Glätte: Wer muss die Wege streuen?

Streupflicht: Was Hauseigentümer und Mieter beachten sollten, um bei einem Unfall nicht haften zu müssen.

Düsseldorf. Fällt Schnee oder liegt Glatteis, muss der Hauseigentümer oder der Mieter, auf den die Verkehrssicherungspflicht übertragen wurde, für den Streu- und Räumdienst sorgen. Doch wie ist es bei Miteigentümergemeinschaften? Wer ist hier verantwortlich? Wir fragten Rechtsanwalt Wolf-Bodo Friers, Geschäftsführer von Haus und Grund Deutschland.

Herr Friers, nehmen wir folgenden Fall: Es schneit, jemand stürzt auf dem Gehweg vor der Wohnungsanlage. Es entstehen Arztkosten und es wird eine lebenslange Rentenzahlung an das Unfallopfer fällig. Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft nichts geregelt hat und darauf vertraut, dass der eine oder andere Miteigentümer das Streuen schon übernimmt - kann das Unfallopfer dann jeden einzelnen Miteigentümer verklagen oder nur die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche?

Friers: Die Wohnungseigentümer haften gesamtschuldnerisch, aber auf jeden Fall anteilig beschränkt auf ihren Miteigentumsanteil. Gläubiger können sich also neben der Gemeinschaft an die einzelnen Eigentümer halten. Wegen der - der Höhe nach - beschränkten Haftung der einzelnen Eigentümer ist es für das Unfallopfer einfacher, die gesamten Ansprüche gegen die Gemeinschaft geltend zu machen.

Angenommen, die Eigentümergemeinschaft hat einen Einsatzplan für den Streu- und Räumdienst. Der zurzeit des Unfalls zuständige Eigentümer hat aber versäumt zu streuen. Kann das Unfallopfer dann nur ihn oder auch die anderen Eigentümer in Anspruch nehmen?

Firers: Auch wenn ein einzelner Eigentümer für die Wohnungseigentümergemeinschaft den Winterdienst übernommen hat, bleibt die Haftungslage wie oben dargestellt. Der Geschädigte kann - und sollte - sich (zunächst) an die teilrechtsfähige Wohnungseigentümergemeinschaft halten.

Ist ein solcher Fall von der Versicherung abgedeckt?

Friers: Der Fall ist von der Gebäudehaftpflichtversicherung abgedeckt, wenn tatsächlich Ansprüche gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft bestehen, diese also ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Wie ist es, wenn die Eigentümergemeinschaft einen Hausmeister mit dem Winterdienst beauftragt hat, dieser aber das Streuen versäumt - mit den genannten Unfallfolgen. Kann nun die Eigentümergemeinschaft oder ein einzelner Eigentümer, wenn er verklagt wird, den Geschädigten an den beauftragten Winterdienst verweisen?

Friers: Der Geschädigte kann sich an die teilrechtsfähige Gemeinschaft oder an die einzelnen Eigentümer halten. Unmittelbare Ansprüche gegen den Winterdienst bestehen nicht. Die verkehrssicherungspflichtige Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich aber damit verteidigen, dass sie ihre Verkehrssicherungspflicht auf einen Winterdienst übertragen hat. Da keine Zurechnung des Verschuldens des Winterdienstes auf die "ursprünglich verkehrssicherungspflichtigen" erfolgt, bestehen Ansprüche des Geschädigten gegen die Gemeinschaft nur, wenn diese den Winterdienst nicht sorgfältig ausgewählt oder schlecht überwacht hat. Denn die Übertragung der Pflicht entlastet nicht völlig. Der (ursprünglich) Verkehrssicherungspflichtige, also die Wohnungseigentümergemeinschaft, bleibt zur Überwachung verpflichtet. Sie darf aber im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der Beauftragte seinen Verpflichtungen nachkommt, solange es keine gegenteiligen Anhaltspunkte gibt. Bei einer selbst erkannten oder erkennbaren Gefahrenlage müssen die Wohnungseigentümer selbst Abhilfe schaffen.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Hauseigentümer (Eigentümer einer Eigentumswohnung) den Winterdienst auf seine Mieter übertragen? Und wenn er das tut, ist er dann aus der Haftung, oder könnte nicht ein ausgerutschtes Unfallopfer den Hauseigentümer/Wohnungseigentümer in die Haftung nehmen?

Streupflicht Der Umfang der Streupflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach den örtlichen Verhältnissen, Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges, Stärke des Verkehrs, Leistungsfähigkeit des Streupflichtigen und Zumutbarkeit der einzelnen Maßnahme. Der zeitliche Rahmen der Räum- und Streupflicht ist durch landesrechtliche Vorschriften festgelegt, die sich an den Vorgaben der Rechtsprechung - regelmäßig von sieben Uhr morgens bis 21 Uhr abends - orientieren. Außerhalb der üblichen Verkehrszeiten besteht keine Pflicht zum Beispiel für einzelne Mieter zu streuen, wenn diese bereits um sechs Uhr ihren Weg zur Arbeit antreten.

Wie oft? Der Sicherungspflichtige ist gehalten, das Streuen in angemessener Zeit zu wiederholen, wenn das Streugut seine Wirkung verloren hat. Erneutes Streuen darf unterbleiben, wenn vernünftigerweise alle Mittel wirkungslos wären. Außergewöhnliche Glätteverhältnisse befreien aber nicht von der Streupflicht. Es genügt, dass die Gefahr des Ausgleitens vermindert wird. Umgekehrt besteht keine Verpflichtung, Splitt zu entfernen, wenn das Streugut einen vorbeugenden Sicherungszweck erfüllt.

Umfang Bei Gehwegen ohne eine besondere Verkehrsbedeutung ist es ausreichend, einen Streifen zu streuen, der es zwei Fußgängern ermöglicht, vorsichtig aneinander vorbei zu kommen. Bei einem Zugang zu einer Wohnung, der nur selten und ausschließlich von Fußgängern benutzt wird, reicht das Streuen in einer Breite von circa einem halben Meter.

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