Hautkrebs: Rettet Früherkennung Leben?

Kritiker und Befürworter streiten über die Frage, wie hoch der Nutzen der Untersuchung wirklich ist.

Hautkrebs: Rettet Früherkennung Leben?
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Düsseldorf. Mit Frühlingsbeginn füllen sich die Hautarztpraxen: Viele Menschen erinnern sich an Muttermale und Sonnenbrände und machen einen Termin für das Hautkrebs-Screening. Diese Früherkennung ist seit 2008 gesetzliche Kassenleistung in Deutschland — alle zwei Jahre für alle ab 35. Dabei untersuchen geschulte Haus- oder Hautärzte die Haut vom Kopf bis zu den Fußsohlen. Ziel: Hautkrebs früh erkennen und die Sterblichkeit senken. Doch Wissenschaftler stellen die Frage, wie gut der Nutzen dieser Untersuchung belegt ist.

Beim Hautkrebs sei bislang nicht zuverlässig bewiesen, dass diese Ziele erreicht werden, kritisieren zwei Institutionen der nachweis-gestützten Medizin — das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Auch deshalb existiere in keinem anderen Land der Welt ein Hautkrebs-Früherkennungs-Programm, auch nicht in Neuseeland und Australien, wo das Hautkrebs-Risiko am höchsten ist, sagt Ingrid Mühlhauser, Sprecherin des Fachbereichs Patienteninformation im DNEbM.

Deutschland sei Vorreiter, sagt dagegen Eckhard Breitbart von der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (APD), wichtigster Befürworter des Screenings.

Die Frage ist: Was will man mit einer Früherkennungsuntersuchung erreichen? Für Vertreter der nachweisgestützten Medizin ist es die Senkung der Sterblichkeit. Weil Studien das nicht bestätigen konnten, warnen sie, den Nutzen der Früherkennung zu überschätzen. „Viele Strategien stehen wissenschaftlich gesehen auf nur dünnem Eis“, kritisiert Gabriele Meyer, Vorsitzende des DNEbM. Der Gesund-heitscheck für Erwachsene führe nach derzeitigem Stand nicht zu einer Senkung von Krankheit oder Sterblichkeit.

Hautkrebs ist laut Robert-Koch-Institut nur für ein Prozent der Krebstodesfälle verantwortlich. 2012 betraf das vier von 100 000 Einwohnern. In mehr als 80 Prozent war der schwarze Hautkrebs die Ursache, der viel seltener ist als der ohnehin gut heilbare weiße Hautkrebs. „Am gefürchteten schwarzen Hautkrebs sterben statistisch von 10 000 Männern im Alter von 50 Jahren in den nächsten zehn Jahren nur drei — aber 30 an Darmkrebs“, sagt Klaus Koch vom IQWiG, das Vor- und Nachteile medizinischer Leistungen überprüft.

„Bei den 60 Jahre alten Männern sterben in den nächsten zehn Jahren sieben an Hautkrebs, aber 70 an Darmkrebs — und mehr als 600 an Lungenkrebs.“ Bei so geringen Zahlen sei es schwierig, den Nutzen nachzuweisen, dass also die Früherkennung mindestes eines dieser drei oder sieben Hautkrebs-Opfer retten kann.

Breitbart sieht es dagegen als „Riesen-Irrtum“, sich bei der Nutzen-Frage nur auf schwarzen Hautkrebs zu konzentrieren. Der weiße nehme zu, auch bei jüngeren Menschen. „Durch Früherkennung können wir die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen.“

Der Basalzellkrebs etwa, häufigster Tumor der Haut, trete häufig im Gesicht auf und zerstöre das Gewebe stark. Ihn früh zu entdecken, lindere den Leidensdruck für Betroffene und nutze durch geringe Behandlungs- und Folgekosten der Gesellschaft. Jedoch hat jede Früherkennung methodische Probleme: Screening-Tests sollen Kranke als krank und Gesunde als gesund erkennen — hundertprozentig sichere Ergebnisse gibt es aber nicht.

Ein Hautkrebs kann übersehen oder fälschlicherweise als solcher diagnostiziert werden. Selbst bei Tests mit guter Aussagekraft werden stets mehr Menschen mit falsch-positivem Befund identifiziert als mit richtig-positivem. Entdeckt ein Test zum Beispiel grundsätzlich 80 Prozent der Erkrankten, heißt das bei einer Krankheitshäufigkeit von zehn zu 1000: Zehn von 1000 Menschen haben Krebs, der Test erkennt acht davon („richtig-positiv“), führt aber auch zu 50 Fehlalarmen (so genannte falsch-positive Diagnose).

990 haben überhaupt keinen Krebs. Bei geringerer Krankheitshäufigkeit werden die Zahlen noch ungünstiger. Laut Leitlinie zur Hautkrebs-Prävention sind 3,25 bis 179 Gewebe-Entfernungen nötig, um einen bösartigen Hauttumor zu bestätigen. Der mögliche Schaden ist aber deutlich geringer als bei anderen Krebs-Früherkennungsmaßnahmen. Wird eine verdächtige Stelle entfernt, obwohl es kein Tumor ist, bleibt nur eine Narbe. Mittlerweile nimmt jeder dritte Erwachsene die Haut-Untersuchung in Anspruch.

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