IGeL(eistungen) in der Kritik: Der Patient als Selbstzahler

Die sogenannten IGeL-Leistungen werden nicht von der Kasse getragen. Und ihr Nutzen ist oftmals zweifelhaft.

IGeL(eistungen) in der Kritik: Der Patient als Selbstzahler
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Berlin. „Sie müssen wissen, was Ihnen Ihre Gesundheit wert ist.“ Wenn Ärzte mit solchen Sätzen Privatleistungen anpreisen, können sich Patienten regelrecht genötigt fühlen, sie anzunehmen. Berichte dieser Art gehen seit drei Jahren beim „IGeL-Monitor“ ein und seit kurzem auch beim Portal „IGeL-Ärger“ der Verbraucherzentrale NRW. Verbraucherschützer und Krankenkassen kritisieren, dass Patienten mit diesen Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) Untersuchungen angeboten werden, die keinesfalls immer nützlich oder besser als die Kassenleistung seien.

So hat der IGeL-Monitor nach eigenen Angaben die Studienlage für die wichtigsten IGeL-Leistungen untersucht. Keine der 37 Leistungen bekam die Bewertung „positiv“.

Einer der Spitzenreiter bei den IGeL-Leistungen ist die Glaukom-Früherkennung. Dass die alleinige Augeninnendruckmessung nicht nützlich ist zur Erkennung dieser tückischen Augenerkrankung, hatte der IGeL-Monitor schon 2012 bewertet — und auch Augenärzte ziehen das nicht in Zweifel. Nun hat der IGeL-Monitor die Kombi-Untersuchung analysiert: Augeninnendruckmessung plus Augenspiegelung. Kosten: etwa 20 Euro. Ergebnis: Ein Nutzen als Früherkennung sei nicht auszuschließen, aber auch nicht wissenschaftlich belegt.

Die Augenärzte protestieren. „Das kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Georg Eckert, Sprecher des Berufsverbands der Augenärzte. „Ein routinierter Augenarzt kann mit dieser Untersuchung eine sichere Aussage machen, ob ein Glaukom vorliegt oder nicht.“ Es sei „fatal“, diese Chance der Früherkennung schlechtzureden: „Das Glaukom ist die zweithäufigste Ursache für Erblindungen, und einmal aufgetretene Schäden am Sehnerv sind nicht rückgängig zu machen.“

Der IGeL-Monitor ist Kritik gewohnt. Häufig argumentieren Ärzte, er sei ein Spar-Instrument der Kassen. Doch faktisch unterliegt der IGeL-Markt keiner Kontrolle. Eine unabhängige Prüfung für die Qualität und die Angemessenheit von Selbstzahlerleistungen gibt es nicht. Auch die Ärztekammer Nordrhein kontrolliert nicht aktiv, wie ihre Ärzte „igeln“. Man gehe „jedem Hinweis auf Verstöße gegen die Berufsordnung nach“, sagt Vizepräsident Bernd Zimmer. Erster Schritt sei eine Ermahnung, etwa wenn ein Mediziner etwas anbietet, was nicht dem Stand der Forschung entspricht oder gar schädlich ist, zum Beispiel auf der Praxishomepage. Bei Nicht-Beachten folge ein gestaffeltes Verfahren bis zu Geldbußen im vierstelligen Bereich. 2014 sei die Ärztekammer Nordrhein bei etwa 80 Ärzten eingeschritten — von 57 000.

„Viele Patienten fühlen sich auf dem IGeL-Markt allein gelassen“, sagt Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS), Träger des IGeL-Monitors. Er appelliert an Ärzte, IGeL nicht als „verkaufsorientiertes Feld zur Einnahmesteigerung“ zu sehen. Drei von vier Patienten, denen IGeL angeboten wurden, nehmen sie auch in Anspruch, ergab eine Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK). „Nur 40 Prozent informieren sich darüber“, so Pick, der rät, sich nicht allein auf die Information des Arztes zu verlassen.

Doch es gibt auch positive Beispiele: Die Stoßwellentherapie beim Fersenschmerz erhielt beim IGeL-Monitor die Bewertung „tendenziell positiv“. Deshalb, so Projektleiter Christian Weymayr, habe der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) einen Antrag gestellt beim Entscheidungsgremium für Kassenleistungen, eine erneute Nutzenbewertung vorzunehmen. Damit könnte diese Therapie einmal Kassenleistung werden.

Der IGeL-Monitor startete im Januar 2012. Zwei Millionen Nutzer verzeichnete das Portal seither, pro Tag zwischen 1000 und 10 000 Besucher. Finanziert wird die Einrichtung vom Spitzenverband der Krankenkassen. Nach Berechnungen der Krankenkassen werden jährlich mehr als 18 Millionen IGeL-Leistungen erbracht.

igel-monitor.de

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