Im Fadenkreuz der Navi-Mafia

Das Geschäft mit gestohlenen Geräten boomt. Auf einem Markt in Posen bekommt der Kunde jedes Ersatzteil.

Posen. Um 5.30 Uhr herrscht schon reger Betrieb. Auf dem staubigen Boden stapeln sich Felgen, Lüfter und Xenon-Scheinwerfer.

Ein Mann im Unterhemd steckt sich eine Zigarette an, dann wandern einige Hundert Zloty über den Ladentisch.

Zufrieden nimmt er den nagelneu aussehenden Kühlergrill entgegen, bevor er zum nächsten Stand weiterzieht — ein Shopping-Paradies für Männer im polnischen Posen. So exotisch das Bauteil auch sein mag — in Posen, 180 Kilometer östlich von Frankfurt an der Oder, findet man es.

Die Polizei schätzt, dass über 1200 Händler ihre Produkte auf dem gigantischen Automarkt anbieten. Ein eigener Sicherheitsdienst bewacht den Ascheplatz. Ironie der Geschichte: Ein Großteil der Ware, die auf dem Automarkt verkauft wird, ist Diebesgut.

„Mindestens die Hälfte der Teile wurde geklaut“, behauptet ein Beamter der Posener Polizei, der seinen Namen nicht preisgeben möchte. Eigentlich, sagt der Polizist, dürfe er nicht einmal mit Journalisten reden. „Keiner traut sich etwas zu sagen, weil unserem Kommandanten das Thema unangenehm ist.“

Besonders mit Navigationsgeräten lässt sich ordentlich Geld verdienen. In den Wellblechhütten der Verkäufer sind ganze Regale mit den Mini-Computern gefüllt. Das beliebteste Modell: das „RNS-510“ von VW. Das Navi mit eingebauter Festplatte und CD-Wechsler kostet neu um die 2500 Euro.

Die Verkäufer in Posen bieten es schon für 2000 Zloty (rund 500 Euro) an. „Das ist ein Riesenproblem“, sagt Steffen Frommherz, Leiter des Kommissariats 21 bei der Leipziger Polizei. Die dortige Ermittlungsgruppe hat sich auf Navi-Diebstahl spezialisiert. Zwischen 400 und 500 Geräte werden jedes Jahr allein in Leipzig entwendet. Nach kurzer Zeit landen sie im Internet, in dubiosen Kfz-Werkstätten oder auf Automärkten wie in Posen.

„Wenn wir die Täter nicht auf frischer Tat ertappen, haben wir kaum eine Chance.“ Das Hauptproblem der Ermittler: Mit bloßem Auge lässt sich professionell bearbeitetes Diebesgut kaum erkennen.

Besonders gravierend ist das Problem in Berlin. Aus einem Regal holt Oberkommissar Christian May beschlagnahmte Navis hervor — so lange, bis ein ganzer Wäschekorb gefüllt ist. „Die zu klauen, geht unheimlich leicht“, sagt May. Scheibe einschlagen, Schrauben rausdrehen, Verbindung lösen — fertig.

Während der Ausbau der Geräte kein besonderes Wissen erfordert, agiert die Navi-Mafia im Anschluss höchst professionell. Nach Erkenntnissen der Polizei läuft das so: Ein oder mehrere Täter, häufig aus Litauen eingereist, schlagen in einer Nacht bei verschiedenen Fahrzeugen zu.

Bevor ein Kurier die Ware nach Osteuropa bringt, wird sie in einer Hinterhof-Werkstatt aufwändig präpariert: neue Seriennummern, neue Lackierung, neuer Barcode — die perfekte Täuschung. Das zögerliche Verhalten der Autoindustrie macht es den Langfingern noch leichter. „Böse Zungen sagen, die Diebe kämen gar nicht so ungelegen“, sagt ein erfahrener Ermittler. Für jedes geklaute Navi werde schließlich ein neues verkauft.

VW hält mit einer eigentümlichen Logik dagegen: „Massivere mechanische Sicherungen können dazu führen, dass die Geräte unter Einwirkung großer Gewalt aus der Schalttafel gebrochen werden“, argumentiert Konzernsprecher Harthmuth Hoffmann.

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