Kälte: Diabetiker sind gefährdet

Schon bei Temperaturen um Null Grad können Spaziergänger Erfrierungen bekommen.

Marburg. Wenn die Finger beim langen Winterspaziergang gefühllos und blass werden, dann ist das zunächst unangenehm. Es kann jedoch auch das erste Symptom einer Erfrierung sein: Durch länger einwirkende Kälte werden die Gefäße verengt, das Gewebe wird schlechter durchblutet und mit zu wenig Sauerstoff versorgt.

Das schädigt die Zellen, im Extremfall sterben sie ab. Das Tückische ist: Zu Erfrierungen kommt es nicht erst, wenn das Thermometer minus 15 Grad anzeigt, sondern auch schon bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.

"Die tatsächliche Temperatur ist nur ein Faktor. Doch die persönliche Empfindung und Verträglichkeit von Kälte ist ebenso wichtig", erklärt Klaus Afflerbach, Experte für Unfallprävention beim Deutschen Grünen Kreuz in Marburg.

Zudem kann dieselbe Temperatur bei unterschiedlichen Umweltbedingungen sehr unterschiedlich wirken. Bei starkem Wind oder auch Nässe wird dem Körper schneller Wärme entzogen.

"Von Kälteschäden häufig betroffen sind alle ohnehin schlecht durchbluteten Körperteile: Nase, Ohren, Zehen und Finger", erläutert Bernd Wolfarth von der Poliklinik für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin der Technischen Universität München.

An diesen - aber auch an anderen Körperstellen - werden Erfrierungen begünstigt, wenn die Durchblutung zusätzlich gestört ist, zum Beispiel durch Arterienverkalkung, Drogen- oder Alkoholmissbrauch, Hunger, körperliche oder geistige Erschöpfung.

"Besonders gefährdet sind Diabetiker: Sie leiden an Sensibilitätsstörungen der Hände und Füße", sagt Mirjana Ziemer, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie in Jena. Die Patienten empfinden dadurch die Kälte nicht und erkennen die Erfrierungssymptome oft zu spät.

Wie bei Verbrennungen unterscheiden Fachleute nach der Tiefe des Gewebeschadens verschiedene Grade von Erfrierungen. Bei Erfrierungen I. Grades kommt es in kurzer Zeit lediglich zu einer Verengung der Gefäße in der Oberhaut.

"Der gefrorene Hautbereich ist blass und gefühllos", sagt Afflerbach. Endet die Kälteeinwirkung und kann sich der Körper aufwärmen, entstehe eine juckende Rötung. Diese klinge rasch ab.

Wirkt die Kälte länger auf den Körper ein oder kommen begünstigende Faktoren hinzu, so entstehen Erfrierungen II. Grades: Es bilden sich Blasen, die mit Körperflüssigkeit oder Blut gefüllt sind. Häufig entstehen diese Blasen erst Stunden nachdem das betroffene Gewebe schon wieder aufgetaut ist.

Bei Erfrierungen III. Grades sterben Hautschichten ab: Die zunächst harten, weißen Hautregionen verfärben sich entweder nach dem Auftauen schwarz, oder es bilden sich Blutblasen, die zu Geschwüren werden.

Der Kälteschaden hat tiefere Gewebeschichten durchdrungen. Erst nach Tagen oder Wochen kann gesundes von abgestorbenem Gewebe abgegrenzt werden. Eine Amputation des betroffenen Körperteils ist meist unumgänglich.

Sobald die ersten Erfrierungssymptome bemerkt werden, heißt es: Ganz schnell raus aus der Kälte. Je länger die Kälte andauert, desto ausgedehnter und schwerwiegender ist die Schädigung.

"Beim Aufwärmen wird der Schmerz oft noch stärker, vor allem wenn der Temperaturunterschied zu abrupt und zu groß ist", sagt Ziemer. "Das Aufwärmen sollte ganz, ganz langsam erfolgen."

So werden zum Beispiel die Hände erst unter kaltes Wasser gehalten und dieses dann langsam erwärmt. Parallel sollte der Körper von innen mit Tee oder Kakao, keinesfalls jedoch mit Alkohol erwärmt werden.

Blasen dürfen weder gerieben noch massiert werden: Durch die Kälte können sich in den gefrorenen Blutgefäßen Thromben gebildet haben. Sie würden sich durch eine Massage lösen. Das kann zu lebensgefährlichen Embolien führen. Im Idealfall heilen die Blasen von allein ab.

Die Wunde optimal versorgen kann nur der Arzt. "Wenn die Erfrierungssymptome über eine Rötung hinaus gehen, sollte man den Arzt aufsuchen", empfiehlt Ziemer.

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