Pflege-Bahr: Was bringt er?

2013 ist die neue zusätzliche Versicherung gestartet. Der Verbraucherschutz rät abzuwarten.

Düsseldorf. Es ist soweit: Jeder Deutsche kann eine private Pflege-Zusatzversicherung abschließen und dafür eine Förderung vom Staat in Anspruch nehmen. Am 1. Januar ist der Pflege-Bahr — benannt nach Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) — an den Start gegangen. Offizieller Name: Geförderte ergänzende Pflegeversicherung. Bei den ersten Versicherern kann man eine solche Police bereits abschließen. Doch was hat es damit genau auf sich?

Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet bereits eine Absicherung für den Pflegefall. „Die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung können aber nur einen Teil der Kosten absichern, die bei Pflegebedürftigkeit entstehen. Den anderen Teil müssen die Betroffenen selbst tragen“, erklärt Susanna Tromm vom Bundesministerium für Gesundheit. Diese Lücke soll über eine freiwillige zusätzliche Versicherung geschlossen werden — den Pflege-Bahr. „Das wird durch die staatliche Zulage künftig unterstützt“, sagt Tromm. Denn wer eine solche Versicherung mit einem Eigenanteil von mindestens zehn Euro monatlich abschließt, bekommt vom Staat fünf Euro im Monat dazu.

Laut Tromm ist es für jeden sinnvoll, ergänzend zur Pflegepflichtversicherung privat vorzusorgen. „Die neue staatliche Förderung ist gerade auch für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen attraktiv, da sie als einheitliche Zulage gestaltet ist“, sagt Tromm. „Während von einer steuerlichen Förderung nur jene begünstigt werden, die aufgrund der Höhe ihres persönlichen Einkommens Einkommensteuer zahlen, ist der Kreis der Anspruchsberechtigten bei einer Zulage deutlich größer.“

Das NRW-Gesundheitsministerium bewertet die Einführung des Pflege-Bahrs jedoch als „äußerst kritisch“: „Der Zuschuss wird die Menschen nicht erreichen, die Pflege nicht aus eigener Kraft finanzieren können“, befürchtet Sprecher Christoph Meinerz. „Damit wird das Konzept lediglich zu Mitnahmeeffekten bei Personen mit gutem Einkommen und Gewinnen bei der privaten Versicherungswirtschaft führen.“

Auch vonseiten der Krankenkassen hagelt es Kritik. So hält der BKK-Landesverband Nordwest den Pflege-Bahr laut Sprecherin Karin Hendrysiak für „unsolidarisch“: „Einkommensschwächere Haushalte werden auf den Abschluss einer Zusatzversicherung verzichten und im Fall der Pflegebedürftigkeit verstärkt auf die Sozialhilfe zurückgreifen müssen.“ Gleichzeitig würden sie aber durch ihre Steuern die Versicherungen der Einkommensstärkeren mitfinanzieren.

Ähnlich sieht es die Barmer GEK: Eine Zusatzversicherung kann laut dem Stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Rolf-Ulrich Schlenker zwar durchaus sinnvoll sein — „allerdings müssen solche Versicherungen sozial ausgestaltet werden. Insofern erscheint der Pflege-Bahr wenig hilfreich.“

Die Verbraucherzentrale NRW rät dazu, erst einmal abzuwarten: „Wir gehen davon aus, dass erst im Laufe des Frühjahrs genug Angebote auf dem Markt sind, damit ein Vergleich aussagekräftig wird. Interessenten sollten dann in Ruhe durchrechnen, ob und welche Pflege-Zusatzversicherung sich lohnt“, sagt Heike Nordmann von der Verbraucherzentrale NRW. Sie geht davon aus, dass sich eine geförderte Pflegetagegeld-Versicherung vor allem für diejenigen lohnt, die aufgrund der Gesundheitsprüfung bei den nicht geförderten Versicherungsprodukten keine Angebote bekommen oder nur solche zu hohen Beiträgen. Denn die Versicherer dürfen für die staatlich geförderten Policen keine Antragsteller aufgrund gesundheitlicher Risiken ablehnen. „Für junge, gesunde Personen können trotz Verzicht auf die Zulage die nicht geförderten Produkte günstiger sein“, sagt Nordmann. „Grundsätzlich steigen die Beiträge mit dem Eintrittsalter. Für die meisten Senioren ist der Monatsbeitrag beim späten Einstieg daher zu hoch, um sinnvoll vorzusorgen.“

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