Zons: Hier lebt noch die Vergangenheit

Im Dunkeln durch Zons: Zur Ferienzeit führen jeden Freitagabend Nachtwächter durch die alte Stadt.

Zons: Hier lebt noch die Vergangenheit
Foto: Ossinger

Dormagen. So wirklich dunkel ist es noch nicht, als Nachtwächter Hermann Kienle mit seinen Gästen zu einem Stadtrundgang der besonderen Art aufbricht. Mit seinem schwarzen Umhang, Lampe, Horn und Hellebarde in der Hand sieht er ein wenig unheimlich aus, passt aber bestens in das mittelalterliche Ambiente der Häuser rund um den Rheinturm.

Zons: Hier lebt noch die Vergangenheit
Foto: Ossinger

Seit 50 Jahren macht der pensionierte Stadtbeamte und Experte für Zonser Geschichte historische Stadtführungen, seit zehn Jahren auch solche im Nachtwächterkostüm durch seine Heimatstadt Zons. Wegen seiner gut erhaltenen Bausubstanz wird das Städtchen rheinisches Rotenburg genannt, seit Januar 2014 steht die ganze Innenstadt unter Denkmalschutz.

Zons: Hier lebt noch die Vergangenheit
Foto: Gräfe

„Die ersten Nachtwächter gab es schon vor 600 Jahren in unserer Stadt“, klärt Kienle auf. Aber während er und seine derzeit drei Kollegen eine Touristenattraktion sind, hatten Nachtwächter damals einen denkbar schlechten Ruf, denn sie waren von niederem Stand und Ansehen und verdienten nicht genug, um ihre Familien ernähren zu können. „Nur der Henker war unbeliebter“, sagt er. Um 1900 wurden die Wächter dann durch Polizisten ersetzt.

Im Zuge einer Nostalgiewelle tauchten die Nachtwächter in den 1980er Jahren wieder auf. 1987 wurde im dänischen Ebeltoft sogar eine europäische Nachtwächter- und Türmerzunft gegründet, die sich um die Erhaltung und Verbreitung dieses Volksgutes kümmert. Seit 2008 ist auch Zons Mitglied dieser Zunft, die viel Wert auf historische Genauigkeit legt. So hat Kienle sein Gewand nach alten Abbildungen schneidern lassen.

„Nachtwächter gab es schon bei den Griechen und Römern, sie gingen aus kriegerischen Posten hervor, die einzelne Ortschaften und Städte beschützten“, erzählt Kienle bei seinem Rundgang.

Seit 1600 mussten sie nicht nur aufpassen, sondern jede volle Stunde mit Hörnern, Knarren oder Schnarren ankündigen. Was Kienle übrigens auch bei seinem Rundgang macht. „Hört ihr Leut’ und lasst euch sagen, die Uhr hat jetzt neun geschlagen“, ist seine Begrüßungsformel. Um 1800 wurden die Nachtwächter übrigens mit Pfeifen ausgerüstet, später versahen sie ihren Dienst „lautlos“.

Nachtwächter wurden in Zons seit 1372 benötigt, als der Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden das früher eher unbedeutende Örtchen am Rhein zur Stadt erhob und im gleichen Zug den Rheinzoll von Neuss nach Zons verlegte.

Allerdings konnte kein Zoll die Stadt vor Unglücken schützen: Dreimal, zuletzt 1620, wurde die Stadt bis auf wenige Häuser vom Feuer verwüstet. Dreimal, zuletzt 1666, wütete die Pest. Die schlimmste Hochwasserkatastrophe erlebten die Zonser 1784: Die Wasserstandsmarke am Haus Rheinstraße 20 ist beredtes Zeichen dafür, dass bei derartigen Fluten auch der 1929 fertiggestellte Deich nur wenig hätte ausrichten können.

All das und viel Anekdotisches erfährt man bei dem gut einstündigen Rundgang durch die Stadt. Nach so vielen Informationen kann man den Tag in der „Torschenke“ neben dem Rheinturm oder im Lokal „Zur Rheinfähre“ ausklingen lassen. Mit dem Auto erreicht man Zons über die B9 oder von Düsseldorf aus auch mit der Autofähre Urdenbach—Zons. Die letzte Fahrt findet allerdings um 21 Uhr statt.

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