Advent in Bethlehem

Die Stadt bereitet sich auf die Besucherströme zu Weihnachten vor. In der Geburtskirche wird derzeit das Dach abgedichtet.

Bethlehem. Es weihnachtet — auch in Bethlehems Rathaus. Eine Besucherin hat vier Weihnachtsbäume gezählt, in jedem Stockwerk einen. Auf der ersten Etage haben sie einen goldenen Baum direkt neben ein lebensgroßes Foto von Jassir Arafat gestellt.

Die 27 000-Einwohner-Stadt südlich von Jerusalem — im palästinensischen Autonomiegebiet Westjordanland — hat eine Botschaft: Christen aus aller Welt sollen sich in der Adventszeit in der Geburtsstadt von Jesus Christus zu Hause fühlen. Gerade, weil die Umstände so schwierig sind. „Unser Image ist nicht gut“, gibt Bürgermeisterin Vera Babun zu. Zusammen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde arbeitet die erste Frau an der Spitze der Stadt daran, dass sich das ändert.

Das Rathaus steht am Manger Square, dem Krippenplatz, auf den die engen Straßen der Altstadt zulaufen. In der mit Lichterketten geschmückten Sternstraße merkt man von der touristischen Hochsaison nicht viel. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, verbergen sich hinter grün und hellblau gestrichenen Eisentoren. Nur im Laden von Dschamil Habed ist Betrieb.

Seit 45 Jahren verkauft Habed Krippenfiguren aus Olivenholz. Ein Angestellter sitzt an der Drechselbank, neben ihm steht eine Kiste mit Hunderten Holzstücken, die darauf warten, ein Schaf, ein Hirte oder ein Jesuskind in der Krippe zu werden. Olivenholz ist teuer. Nur noch zwei Werkstätten in Bethlehem fertigten in diesem Material, erklärt Farus Churi von der Handelskammer.

Von Habeds Laden sind es nur ein paar hundert Meter bis zur Geburtskirche, ebenfalls am Krippenplatz. Wie eine Trutzburg steht sie da, mit meterdicken Mauern, zusätzlich eingerahmt von Klostergebäuden. In ihrer 1700-jährigen Geschichte hat sie viele Kriege, Zerstörung, Wiederaufbau und Belagerung erlebt, zuletzt 2002, als sich bewaffnete palästinensische Nationalisten dort verschanzten und israelische Soldaten sie wochenlang umzingelten. Von den Kämpfen zeugen noch Einschüsse im Mauerwerk.

Nicht nur deshalb soll nun endlich restauriert werden. „Besonders das Dach ist in einem schlechten Zustand“, erklärt Siad Bandak, der das palästinensische Regierungskomitee für die Renovierung der Kirche leitet. „Es gibt Löcher in der Blei-Abdeckung, der Regen greift das Holz des Dachstuhls an. Auch die Fresken und Wandmosaike sind dadurch beschädigt.“

Im vergangenen Jahr hatte die Palästinensische Autonomiebehörde in einem umstrittenen Schritt erreicht, dass die Geburtskirche von der Unesco als gefährdetes Weltkulturerbe anerkannt wurde. Schon die Aufnahme der Palästinenser in die Unesco ein Jahr zuvor war heftig kritisiert worden — Israel, die USA, auch Deutschland lehnten das als politischen Schritt ab. Was die Geburtskirche angeht, fürchteten die Kirchen, sie könne in den Nahostkonflikt hineingezogen und Pilgern der Zutritt erschwert werden.

Die Palästinenser gingen das Risiko ein. Seit dem Bau von Sperranlagen durch die Israelis fühlen sie sich ohnehin wie in einem Gefängnis. In Bethlehem ist die Situation besonders schwierig, weil die bis zu acht Meter hohe Mauer dort kilometertief ins Stadtgebiet schneidet. „Es gibt zwölf Grenzübergänge von Israel aus, aber nur einer ist für Palästinenser geöffnet“, sagt Xavier Abu Eid, Sprecher der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

27 jüdische Siedlungen umgeben die Stadt, die Sperrmauer soll sie vor terroristischen Angriffen schützen.

Bisher scheint die Rechnung der Palästinenser aufzugehen: Das Unesco-Siegel lockt wieder Touristen in die Stadt. Mehr als zwei Millionen dürften dieses Jahr Bethlehem besuchen, fast doppelt so viele wie 2012. Das Problem ist nur, dass die wenigsten in der Stadt übernachten. So stehen viele der 3800 Hotelzimmer leer, wenn nicht gerade Weihnachten ist.

Churi, stellvertretende Leiterin der örtlichen Handelskammer, sagt, die palästinensische Tourismusbranche werde auch behindert durch israelische Regelungen, die die Zahl der Passierscheine für palästinensische Reiseführer begrenzten. Gerade einmal 42 Palästinenser hätten Genehmigungen, in Israel und Jerusalem Touristen abzuholen, während über 7000 israelische Reiseführer ungehindert im ganzen Westjordanland arbeiten dürften. Aber sie räumt auch ein, dass es hausgemachte Probleme gibt: „Fixkosten wie Energie und Steuern sind bei uns zu hoch. Unsere Produkte sind nicht wettbewerbsfähig.“

Überall im Westjordanland gibt es neue Hotelprojekte. Informationsbüros für Touristen werden eröffnet, für Individualreisende spezielle Angebote geschaffen. Durch die Anerkennung der Geburtskirche als Weltkulturerbe hofft Tourismus-Ministerin Rula Maaja, einfacher an Geld für die Restaurierung zu kommen. Denn von den 15 Millionen Euro, die sie mindestens kostet, hat die Autonomiebehörde erst gut zwei Millionen zusammen. Das reicht gerade mal für das Dach und die Fenster.

Maaja und Babun, die Bürgermeisterin, freuen sich nun darauf, dass im nächsten Jahr Papst Franziskus zu Besuch kommen will. Beide Politikerinnen gehören der christlichen Minderheit an, die in Bethlehem ein Drittel der Bevölkerung ausmacht, im gesamten Westjordanland allerdings nur zwei Prozent. „Wenn der Papst in die Geburtsstadt Christi kommt, ist das schon eine Botschaft für sich“, sagt Babun. „Wenn er sieht, wie wir hier eingeschlossen sind, wird er unsere Situation verstehen.“

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