Einsame Fischerorte: Kreuzfahrt zu Islands Westfjorden

Isafjördur (dpa/tmn) - Die Westfjorde zählen zu den abgelegenen Regionen Islands. Kleine Fischerorte liegen am Ende einsamer Täler. Kreuzfahrer auf dem Expeditionsschiff „Fram“ lassen sich von der rauhen Landschaft beeindrucken - und erfahren viel über die Menschen.

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„Ich bin ein Fan der Westfjorde“, bekennt Claudia Matzdorf-Brenner. Aus der Millionenmetropole Guatemala-City hat es die junge Frau an die Universität von Isafjördur mit seinen 2700 Einwohnern verschlagen. Sie studiert dort Küsten- und Meeresressourcenmanagement. In der tropisch-warmen Großstadt kannte die Studentin ihre Nachbarn nicht - im Land der Westfjorde hat sie erfahren, wie man Tür an Tür mit ihnen zusammenlebt.

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Hier im Nordwesten Islands halten die Menschen zusammen. Rau ist die Natur, die harten Winter sind lang - da rückt man zusammen. Wie die Finger einer Hand ragen Fjorde und felsige Bergketten über viele Kilometer in das Nordmeer hinein. Nur durch die schmale Landbrücke des Eyrarfjalls ist die Halbinsel mit dem übrigen Island verbunden. „Wir sind etwa 280 Kilometer von Ostgrönland entfernt, aber beinahe 500 Kilometer von der Hauptstadt Reykjavik. Mit dem Auto über teilweise kurvige Schotterpisten dorthin zu fahren, das ist eine sehr lange Reise“, sagt Claudia.

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An den Westfjorden Islands mit dem Hauptort Isafjördur leben nur 7000 Menschen - ein Mensch pro Quadratkilometer. Das Expeditionsschiff „Fram“ steuert bei seiner elftägigen Umrundung Islands winzige Orte wie Flateyri, Bolungarvik und Siglufjördur an. Die Orte sind eng verbunden mit der Fischerei, die im 19. Jahrhundert wirtschaftlichen Aufschwung brachte: Haie, Hering, Kabeljau und Wale wurden gefangen. Fischfabriken boten den Bewohnern der Küste Arbeit. Doch mit dem Aufkommen der Fabriktrawler, auf denen der fangfrische Fisch bereits an Bord verarbeitet wird, machte eine nach der anderen Fabrik dicht.

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In Siglufjördur sind Aufstieg und Fall der Fischerei im Heringsmuseum erlebbar: Ab 1903 wird die nördlichste Stadt Islands zum Zentrum des Heringsfangs. Zur Saison im Frühjahr stapeln sich am Hafen tausende Holzfässer mit Salzheringen. Frauen arbeiten im Akkord, nehmen die Fische aus und salzen sie - Siglufjördur ist im Herings-Rausch. Doch im Sommer 1964 kommt es zum Herings-Crash: Die Schwarmfische bleiben aus, die Bestände sind überfischt. Im Heringsmuseum erinnern sie heute mit Vorführungen an die goldenen Jahre, als die Stadt den schmückenden Beinamen „Klondike am Atlantik“ trug.

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Geschichte und schicksalhafte Geschichten bietet der Landgang in Flateyri am Fjord Önundarfjördur, wo ab 1889 die damals größte Walfangstation am Nordatlantik stand. Heute leben 200 Menschen in dem verschlafenen Dorf, das nach dem Niedergang der Fischerei eine weitere Katastrophe erlebte: Am 26. Oktober 1995 rauschte eine gewaltige Lawine zu Tal und begrub 29 Häuser unter sich. Erst vor der kleinen Kirche kamen die Schnee- und Geröllmassen zum Halt. Ein schlichter Gedenkstein erinnert dort an die Katastrophe: Rebekka wurde nur ein Jahr alt, ihr Schwesterchen Astros zwei.

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Riesige Erddämme und ein ausgeklügeltes Warnsystem sollen Flateyri heute schützen - aber die Abwanderung junger Leute hat das Bauwerk nicht stoppen können. „Flateyri und die anderen Orte der Westfjorde setzen heute auf den Tourismus“, erzählt Claudia. Als Tourguide führt sie die Kreuzfahrer zu den Lawinenschutzwällen und zum hübschen Botanischen Garten Skrudur, der 1905 von Sigtryggur Gudlaugsson angelegt wurde. Der Pfarrer und Lehrer wollte seinen Schülern damit Gartenbau und Pflanzenkunde vermitteln.

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Nur sechs Stunden liegt die „Fram“ am kurzen Kai von Flateyri. Und doch keimt mit der Anlandung des norwegischen Expeditionsschiffes im Dorf Hoffnung auf mehr Touristen auf, irgendwann in der Zukunft. „Denn in den letzten zehn Jahren legte hier planmäßig kein einziges Kreuzfahrtschiff an“, sagt Tourguide Claudia.

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Noch viel einsamer als in Flateyri vergeht das Leben auf der Vogelinsel Vigur, zu der die Passagiere mit kleinen Booten übersetzen. Wie ein grünes Tuch liegt das private Eiland still und friedlich im Isafjardardjup-Fjord, zwei Kilometer lang und 400 Meter breit. Drei Menschen der Bauernfamilie Salvar sind auf Vigur zu Hause, zusammen mit zigtausenden Papageitauchern, Küstenseeschwalben, Möwen und Eiderenten. „Wir sammeln die wertvollen Daunen der Eiderenten, die bei uns mehr als 3600 Nester haben“, sagt Tochter Sirrý beim Rundgang durch das Naturparadies.

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Nur jeweils 150 Besucher dürfen Vigur gruppenweise betreten, um die sensible Vogel- und Pflanzenwelt nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Zum Besichtigungsprogramm zählt die Kornmühle aus dem Jahr 1840, die bis 1917 in Betrieb war. Heute ist das windschiefe Bauwerk die einzige in Island noch erhaltene Windmühle und ein nationales Denkmal. Auf Vigur steht auch Islands kleinstes Postamt. Dessen Öffnungszeiten richten sich nach den Besuchern, die von Vigur aus Ansichtskarten in die Welt schicken. Dann hat der junge Helfer Eyjólfur mit dem Verkauf von Briefmarken alle Hände voll zu tun.

Während die „Fram“ der Reederei Hurtigruten 2014 als erstes Kreuzfahrtschiff überhaupt Island komplett umrundete, werden in diesem Jahr mehr und auch größere Schiffe die Vulkaninsel ansteuern - der Trend geht zu Kreuzfahrten auf Nordkurs. „2015 sind wir nicht mehr alleine unterwegs“, sagt Mona Ringstrand, die in der Hurtigruten-Zentrale im norwegischen Tromsø die Fahrt der „Fram“ um Island zwei Jahre lang vorbereitete.

Vorträge von Geologen, Ornithologen und Islandkundigen stimmen die Reisenden an Bord auf die Tour durchs Lavafeld Berserkjahraun bei Stykkishólmur ein. Während der Wanderung auf handtuchschmalen Pfaden erläutert Vulkanologe Haraldur Sigurdsson, wie das Lavaland vor etwa 4000 Jahren durch den Ausbruch des Ljósufjöll-Vulkansystems entstand.

Links Amerika, rechts Europa: In Island berühren sich die beiden kontinentalen Erdplatten und driften pro Jahr etwa zwei Zentimeter auseinander. „Wir erleben die Erddynamik auf unserer Reise: Vulkane, Lava, heiße Quellen und Geysire“, sagt der Geologe Steffen Biersack. Von den weltweit 1500 aktiven Vulkanen liegen etwa 30 auf Island.

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