Brühler Schloss Augustusburg: Die Queen und ihr „Thron“

Brühl bringt sich als Ziel für Städtereisen ins Gespräch.

Düsseldorf. Die Queen verlangte einst einen ganz besonderen „Thron“: ein Toilettenbecken mit eingebautem Bidet. Also wurde das allerneueste Schweizer Modell für den Staatsempfang am 20. Mai 1965 im Brühler Schloss Augustusburg eingebaut. Die Damen der feinen Bonner Gesellschaft wollten den „Thron“ natürlich unbedingt auch selbst testen. Weil sie aber die Konstruktion nicht kannten, bekamen sie prompt nasse Rücken, die von Schlossdienern trocken geföhnt werden mussten.

Diese Geschichte, die Schlossbesucher sich allzu gern anhören, gehört in die Kategorie „Zu schön, um wahr zu sein.“ Allerdings: Die Toilette ist noch heute als Kuriosität zu besichtigen. Aber: Elizabeth II. hat sie nie benutzt, und die feinen Bonner Damen auch nicht.

Anekdoten wie diese verschaffen, egal ob sie zutreffen oder nicht, vergnügliche Erlebnisse. Wie steht es denn mit dem Snack, dass die Minister dem Kurfürsten die erlesenen Speisen vorlegen und bei der Zeremonie des „lever et coucher“ (aufstehen und schlafen gehen) beim An- und Auskleiden Hand anlegen mussten, damit der hohe Herr nicht mit gemeinen Bediensteten in Berührung kommen musste?

„Das stimmt“, sagt Schlossführerin Amelie. Clemens August demonstrierte damit seine absolute Macht. Wozu auch der gesamte Rokoko-Prachtbau diente. Clemens August blickte von seinem Standort oben auf der Prachttreppe von Balthasar Neumann auf die ankommenden Gäste herab, die sich mühsam zu ihm hocharbeiten mussten.

Wer zur Audienz vorgelassen werden wollte, musste erst im ersten, dann im zweiten Vorzimmer warten — oft tagelang. Diener brachten Speisen und Getränke und die mobile Toilette. Dieses entwürdigende Piesacken hatte Methode: Die Untertanen sollten sich ganz klein fühlen.

Als Clemens August 1761 starb, war sein Schloss noch immer nicht vollendet, aber bis über alle Zinnen verschuldet. Und das, obwohl er sich von mehreren gekrönten Häuptern Europas sein Wohlwollen durch Bestechungsgelder bezahlen ließ und überdies eine geniale Methode der Geldbeschaffung praktizierte: Während Hoheit speiste, konnten seine Untertanen ihn gegen eine Spende von (nach heutigem Geld) rund 5000 Euro von einer Galerie aus beobachten. Ein Teil der Einrichtung musste wegen der Schulden verkauft werden.

Obwohl als Erzbischof dem Zölibat verpflichtet, hatte der Schlossherr diverse Liebschaften. Die mit Mechthild Brion, Harfenistin im Schlossorchester, hatte das Mädchen Anna Maria zur Folge, das der Vater später mit dem unehelichen Sohn seines Bruders, des späteren deutschen Kaisers, verheiratete.

Solche Geschichten und die glanzvolle Pracht der kurfürstlichen Hofhaltung locken auch heute noch im Jahr mehr als 80 000 Besucher nach Augustusburg und in das benachbarte Falkenlust, wo der Hausherr seinen Hobbys, der Falknerei und schönen Frauen, frönte.

In Falkenlust gastierte 1760 auch der bekannteste Frauenheld Europas: Casanova gab ein Galadiner für die schöne Kölner Bürgermeisterin von Pütz.

Der Glanz von einst bestrahlt auch die Brühler Schlosskonzerte, die dieses Jahr am 11. Mai beginnen und am 31. August mit einem Feuerwerk enden.

Die Zeit der glanzvollen Staatsempfänge ist endgültig vorbei. Es begann 1845, als Preußens König Friedrich Wilhelm IV. Englands Queen Victoria in Brühl empfing. Die junge Bundesrepublik richtete bis 1996 fast alle Staatsempfänge — vom Schah von Persien über Breschnew bis Kennedy — im Brühler Schloss aus. Zuletzt war Kritik der Denkmalschützer laut geworden. Die jeweils 320 Gäste der Staatsempfänge hinterließen Spuren. Den Umzug des Bundes nach Berlin werteten die Denkmalschützer als Glück.

Seitdem die Brühler Schlösser 1984 mitsamt dem Schlossgarten Unesco-Weltkulturerbe wurden, kommen von Jahr zu Jahr mehr Touristen. Schließlich lockt in Brühl auch noch das Phantasialand und das dem größten Sohn der Stadt gewidmete Max-Ernst-Museum. Nicht zu vergessen ist als Kontrapunkt zum höfischen Glanz das kleine „Museum der Alltagsgeschichte“, das daran erinnert, dass das Leben der einfachen Leute zu Kurfürstens Zeiten gar nicht so spaßig war.

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