Brüssel feiert die Jugendstilbiennale

Brüssel (dpa/tmn) - Vor rund 100 Jahren machten sich die Architekten in Europa auf, das Dekorative und Blumige zurück in den Alltag zu holen - der Jugendstil war geboren. In der belgischen Hauptstadt Brüssel wird das alle zwei Jahre im Oktober groß gefeiert.

Eine Künstlerin? Paule Mommen lacht so laut auf, dass der kleine braune Spaniel auf ihrem Arm zusammenzuckt. Nein, sie sei keine Künstlerin. „Das habe ich leider nicht in den Genen.“ Auch wenn - das gibt sie gerne zu - ihr Haus im Brüsseler Stadtteil Ixelles so aussieht, als lebe dort eine Künstlerin: Die rote Jugendstil-Fassade mit den grünen Blumenmotiven dazwischen, die hohe Eingangshalle mit dem hölzernen Treppenhaus und der antiken Laterne an der Decke, das bemalte Fenster mit den bunten Blumen und den weißen Schwänen.

Ihre Oma sei es gewesen, die Malerin Marguerite Mommen-Ithier, die 1908 in dieses Haus zog und ihm ihren Stempel aufdrückte. Auch der erste Hausherr und sein Architekt waren Künstler: 1904 beauftragte der belgische Maler und Bildhauer Georges Lemmers den Architekten und Dekorateur Gabriel Charle, das zweistöckige Stadthaus zu bauen.

Heute lebt Paule Mommen mit ihrem Sohn Pierre hier - und wird ihr geliebtes Haus nun erstmals der Öffentlichkeit zeigen. Im Rahmen der Brüsseler Jugendstilbiennale 2011, die an allen vier Oktoberwochenenden stattfindet, lässt sie Führungen zu - insgesamt 42, jeweils eine halbe Stunde lang.

Seit 2001 zieht das Festival alle zwei Jahre Touristen in die belgische Hauptstadt, wo tausende Häuser, Museen, Schulen, Cafés, Läden, Möbel und Gebrauchsgegenstände aus der Zeit des Jugendstils zu besichtigen sind. Rund 26 000 Besucher kamen 2009.

Zur Biennale haben Besucher auch Zutritt zu mehr als 60 Häusern, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind - so wie das von Paule Mommen. Einige Führungen durch ihr Reich sind schon ausgebucht.

Stadtführer Valentin Thijs läuft aufgeregt von Raum zu Raum. Auch er bekomme solche prachtvolle Privathäuser nicht jeden Tag zu sehen, sagt der Kunsthistoriker aus Brüssel. Besonders das große Glasfenster mit den Blumen und den Schwänen hat es ihm angetan. „Monumental! Das muss wahnsinnig teuer gewesen sein, auch damals schon.“

Aber Thijs weiß auch, dass es nicht immer einfach und vor allem sehr teuer ist, in einem denkmalgeschützten Jugendstilhaus zu wohnen. Auf seiner Tour durch Brüssel zeigt er den Besuchern auch Beispiele, bei denen es nicht geklappt hat.

Die ehemalige Brasserie De Ultieme Hallucinatie im Stadtteil Sint-Joost-ten-Node zum Beispiel. „Das war immer sehr schön. Wir waren hier viel zum Mittagessen oder zum Kaffee“, erinnert sich Thijs. In der Brasserie gab es Muscheln in großen Pötten, kross frittierte Pommes und Tatar mit Kapern, dazu süffiges Bier - und all das im typischen Jugendstildekor: Schnörkel, Blumen, Tiere, weibliche Silhouetten, viel Glas, Keramik und Eisen. Seit zwei Jahren steht das 1850 gebaute Haus nun zum Verkauf. „Die Witwe will drei Millionen Euro, aber das wollte bislang niemand zahlen.“

Auch eines der berühmtesten der fast 15 000 Brüsseler Jugendstilgebäude ist aktuell zu haben. Das Saint Cyr, zwischen 1901 und 1903 vom belgischen Architekten Gustave Strauven für einen Maler mit diesem Namen gebaut. Die vier großen Fensterfronten nehmen jeweils ein ganzes Stockwerk der Front des schmalen Hauses ein, jedes hat eine andere Form.

Andere Jugendstil-Bauten leisten noch heute gute Dienste. Die Schule Nummer eins in der Rue Josaphat beispielsweise, gebaut 1907 vom Architekten Henri Jacobs. „Er hat neue pädagogische Erkenntnisse mit neuen technischen Mitteln und einem neuen Baustil umgesetzt“, schwärmt Thijs.

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