Exuma, Insel der Gelassenheit

Nassau ist ein quirliges Shoppingparadies, Great Exuma dagegen die Entdeckung der Langsamkeit.

Exuma, Insel der Gelassenheit
Foto: Daniela Kebel

Nassau. Von oben sieht alles aus wie ein riesiger Malkasten, der nur Blau- und Türkistöne enthält. Mehr Farben braucht die Karibik auch nicht. Diese unzähligen Nuancen aus dunklem Azur, hellem Blau und strahlendem Türkis reichen völlig aus, um die traumhaft schönen Bilder zu malen, die beim Landeanflug mit der kleinen Propeller-Maschine immer näher kommen.

Exuma, Insel der Gelassenheit
Foto: Daniela Kebel

Winzige Inseln, kaum mehr als ein paar Felsen umgeben von fast weißem Sand, liegen in einem Ozean, dem man bis auf den Grund schauen kann. Wie hingestreut in einen blauen Teppich, der aus der Luft betrachtet völlig unbeweglich daliegt. Rund 700 Inseln gehören zu den Bahamas, nur etwa 30 davon sind bewohnt.

Eine davon ist New Providence, das mit Nassau die Hauptstadt der Bahamas beheimatet. Nassau — Steueroase und Touristenstadt, nicht nur wegen der regelmäßig anlandenden Kreuzfahrer. Am Hafen haben sich viele Shops angesiedelt, Besucher werden vorbei an allen Ständen durch die Markthallen geschleust. Wer auf dem Weg in die Stadt noch keinem Souvenir aus den glänzend pinkfarbenen Conche-Muscheln erliegt, kauft garantiert auf dem Rückweg Schlüsselanhänger, Schalen oder Perlenketten.

Nassau ist Shopping pur in einem bunten Trubel aus Hard Rock Café, Kaufhäusern, Parfümerien und vor allem Juwelieren. In engen Straßen drängen sich Häuser und Geschäfte aneinander, in jeder noch so kleinen Gasse klebt Shop an Shop. Von Hektik keine Spur — außer bei den Tagesgästen, die in wenigen Stunden zurück an Bord sein müssen.

Sie ist 60 Kilometer lang und misst an ihrer breitesten Stelle gerade einmal zwölf Kilometer. Dabei ist die Insel schon die größte von ihren rund 365 Schwestern: Great Exuma, die Hauptinsel des Bahamas-Distrikts Exuma. Von einem kleinen Hügel aus schweift der Blick auf das Meer zu beiden Seiten.

Natürlich auch auf die endlosen weißen Strände, deren Sand so ordentlich wirkt, als sei er frisch geharkt. So klein wie sie ist, so langsam geht es zu. Alles scheint sich in Zeitlupe zu bewegen. Wer hierherkommt, sucht Entspannung. Ruhe. Und lernt schnell, dass karibische Langsamkeit eine Radikalkur für gehetzte Europäer ist.

Stille liegt über Great Exuma, niemand ist auf der Straße zu sehen. Immerhin asphaltiert, führt sie als einzige Verbindung einmal längs über die Insel. Rechts und links wachsen Büsche und niedrige Bäume — Exuma ist grün. Mit tropischer Vegetation. Auf staubigen Wegen geht es zu den Quartieren der Einheimischen. Kleine bunte Häuser, deren Bewohner hauptsächlich von Landwirtschaft und Obstanbau leben. Es ist Mittagszeit. Niemand arbeitet. Das Gelände scheint wie leer gefegt, eine alte Frau mit Kopftuch schlurft als einzige am rostigen Tor einer Bananenplantage vorbei. „Hallo, wie geht’s dir?“, fragt Patrick und kurbelt das Fenster seines Kleinbusses herunter. Der Griff ist halb abgebrochen, Sand macht das Getriebe schwergängig. „Hier kennt jeder jeden“, erklärt der Fahrer fröhlich der kleinen Reisegruppe und schon vertieft er sich in die Plauderei mit seiner Bekannten. Englisches Gemurmel mit fremdem Akzent. Minuten später verabschieden sie sich „bis nachher“. Die Hauptstadt Georgetown zählt etwa 1000 Einwohner, Great und Little Exuma zusammen gerade einmal 3600. „Hier sind immer alle gut gelaunt“, erzählt Patrick und lacht wie zur Bestätigung. Seine weißen Zähne blitzen gegen die dunkelbraune Haut, die kurzen schwarzen Haare sind an den Schläfen leicht ergraut. „Die einzigen Probleme, die wir hier haben, sind Beziehungen zwischen Männern und Frauen.“

Ob daher seine grauen Haare kommen? Von zu viel Arbeit sicher nicht, denn wer auf Exuma einen Fahrdienst bestellt, hat Glück, wenn der Wagen überhaupt auftaucht, und noch viel mehr Glück, wenn er nur ein bis zwei Stunden Verspätung hat.

Patricks Minibus stoppt am Straßenrand, eine Bar aus knallbunt bemalten Holzwänden lädt zu einem Drink: Santana’s Grill Pit. Hinter der Bude erstreckt sich der Strand aus feinstem, weißem Sand. Und als hätte Barkeeperin Luisa seine Worte gehört, fragt sie: „Wo warst du gestern, Süßer?“ Patrick lächelt verlegen, findet dann aber schnell zu seinem angeborenen karibischen Charme zurück: „Diese Nacht komm ich ganz bestimmt.“

Luisa mixt derweil einen Spezial-Cocktail: den Bahama-Mama. Mit viel Fruchtsaft und Rum. Gespielt frustriert lässt sie sich auf den Dialog ein: „Jaja, das sagst du jedes Mal.“

Den Bahama-Mama hat sie auch schon für Johnny Depp gemixt, als er während der Dreharbeiten zu „Fluch der Karibik II“ auf Great Exuma wohnte. In einer Luxus-Villa auf einer Klippe über dem strahlend blauen Meer. Die meisten Bewohner wussten gar nichts von seiner Anwesenheit und falls doch, war es ihnen egal. Denn der Schauspieler ist nur einer von vielen Promis und Reichen, die sich hierher zurückziehen, um ihre Ruhe zu haben.

Fotos hat Luisa aber doch von dem berühmten Gast geschossen. Ansonsten sammelt sie Kappen und Mützen, die in ihrer Bar überall von der Decke baumeln. Kein anderes Auto ist auf der Straße, als die Fahrt weiter ans andere Ende der Insel geht. Sogar in der Hauptstadt Georgetown ist kaum jemand unterwegs. Sand weht durch die engen Gassen, die an winzigen Geschäften, einer Bank und ein paar Restaurants vorbeiführen. Türschilder hängen schief, pastellfarbene Fensterläden klappern im Wind. Eine Atmosphäre wie in einer Filmkulisse nach Drehschluss.

Patrick bugsiert den großen Wagen wieder zurück auf die Hauptstraße. „Das ist meine Heimat“, sagt er stolz. Vor einigen Jahren ist er zurückgekommen, nachdem er mit seinen Eltern viele Jahre in den USA gelebt hatte. Jetzt, mit Anfang 50, will er nirgendwo anders wohnen, als auf dieser Insel. Er wirkt entspannt, genießt den Blick über die grünen Hügel und den strahlend türkisfarbenen Atlantik — jeden Tag.

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