Felsen vor türkisem Meer: Wandern in den Calanques

Marseille (dpa/tmn) - So einen Vorgarten hätten andere Städte auch gern: In den Calanques klettern Besucher durch eine der schönsten Landschaften Frankreichs, eine Wildnis mit spektakulären Buchten und grandiosen Ausblicken.

Abends aber müssen Wanderer in die Zivilisation zurückkehren.

Vom Vorplatz der Kathedrale „Notre Dame de la Garde“ bietet sich ein herrlicher Blick über den Hafen Marseilles mit seinen Jachten und über die ziegelroten Dächer. Weiter östlich ragt eine lange schmale Halbinsel ins Meer, grauer Fels mit dunkelgrünem Busch, davor ein Inselchen, als habe jemand einen Steinbrocken ins Meer geworfen. Dort liegen die Calanques, ein etwa 20 Kilometer langer Küstenstreifen, der zu den schönsten Landschaften Frankreichs zählt und sich an einem langen Wochenende wunderbar erwandern lässt. Naturschützer setzen sich derzeit dafür ein, die Gegend zum Schutzgebiet zu erklären.

Offiziell gehören die Calanques noch zum Stadtgebiet der zweitgrößten Stadt Frankreichs. Aber sobald man die Bucht von Marseille verlassen hat, scheint die Zivilisation weit weg. Eine Art Indianerzeichen empfängt die Wanderer dort, wo sich der Weg den ersten Hügel hinaufschlängelt. Die vielen bunten Striche an den Felsen markieren die Wanderwege, von denen es mittlerweile ein ganzes Netz gibt. Der Fernwanderweg GR 98-51 ist rot-weiß markiert.

Durch duftende Kiefernwälder geht es bergan, die Großstadthektik bleibt schnell zurück. Eine leichte Meeresbrise macht das Laufen angenehm. Nach einer guten halben Stunde öffnet sich der erste schöne Ausblick auf die zerklüftete Küste. Noch ist Marseille gut zu sehen, doch je weiter es nach Osten geht, desto ursprünglicher wird die Landschaft.

Immer wieder schneiden schmale Buchten in das Ufer. Das Wasser schimmert in Blau- und Türkistönen und läuft am Strand glasklar über die runden Kiesel. Über einer der Buchten ist ein mächtiger Felsbrocken aus dem Massiv gebrochen und liegt nun im Wasser, die Abbruchstelle ist gelblich gefärbt. Manche Kiefer hat sich vom Wind so weit verbiegen lassen, dass sie fast parallel zum Boden wächst.

Das Frühjahr und der Spätsommer gelten als gute Zeit, um in den Calanques zu wandern. Im Hochsommer sind die Wege wegen Waldbrandgefahr häufig gesperrt, und die hübschen Fischerbuchten mit autoreisenden Tagesgästen überfüllt.

Wie Spielzeugboote sehen aus der Höhe die weißen Ausflugsschiffe aus, die von Marseille aus durch die Calanques tuckern. In der langen und engen Bucht von Sormiou finden sich erstmals wieder ein paar Häuser, kaum größer als Gartenlauben. Auf ein paar Metern Strand tummeln sich Kinder und Kanufahrer.

Gleich hinter der Bucht schlängeln sich Serpentinen einen steilen Hang hinauf. Das Massiv hat keine beeindruckenden Höhenmeter zu bieten, aber das häufige Auf und Ab geht dennoch in die Beine. Oben angekommen fühlt man sich wie ein Insekt auf dem schuppigen Rücken eines gewaltigen Sauriers, der seinen langen Hals ins Meer hinausgeschoben hat.

Die erste Tagesetappe endet in der Bucht von Morgiou, die noch spektakulärer in den Felsen eingeschnitten ist. Nur zu gerne würde der ermüdete Wanderer über Nacht dort bleiben, wenn es nur eine kleine Pension gäbe. Aber dann verlöre die Bucht vielleicht auch etwas von ihrem Reiz. Es bleibt nichts anderes übrig, als bis zum Unicampus hinaufzulaufen und dort einen Bus zurück nach Marseille zu nehmen.

Am zweiten Wandertag scheint der Dinosaurier, auf dessen Rücken man am Vortag noch herumkrabbelte, verstohlen zu grinsen. Als ahnte er, dass es für die Rucksackträger nun richtig anstrengend wird. Die Wanderstöcke werden bald zusammengeschoben, jetzt kommen die bloßen Hände zum Einsatz. Aber der kalkige Felsen bietet guten Halt, das Klettern ist kaum anspruchsvoller als Treppensteigen.

Kurz vor Cassis schweift der Weg eine Weile ins Landesinnere ab, um dann bei Port-Miou wieder auf die Zivilisation zu stoßen. Und was für eine: Der eineinhalb Kilometer lange Meeresarm dient als Jachthafen von Cassis, durch die Kiefern hindurch lässt sich ein dichter Wald von Segelmasten erkennen.

Die letzten paar Hundert Meter geht es über die Landstraße, die zu dem kleinen Hafenort führt. Wer nicht auf die Hoteldusche warten mag, kann auch direkt seine Sachen am Strand ablegen und im Meer den Staub der Wanderung abspülen.

Zur Belohnung bummeln die Wanderer am frühen Abend über die Hafenpromenade von Cassis. Für den wohl verdienten Aperitif stehen zahlreiche Cafés zur Auswahl. Zum Abschluss gibt es zu Erdnüssen und Oliven den für Marseilles Nachbarschaft so typischen Pastis.

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