Gegen das Vergessen: Soldatenfriedhöfe in Nordfrankreich

Paris (dpa/tmn) - Im Norden Frankreichs zeugen mehr als 650 Soldatenfriedhöfe und Gedenkstätten vom Gemetzel des Ersten Weltkriegs. Die größten französischen und deutschen Gräberfelder liegen hier.

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Sie prägen noch heute die Landschaft.

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Fromelles liegt rund 16 Kilometer westlich von Lille, ein unscheinbares Dorf im flachen Norden Frankreichs. Es zählt etwa 850 Einwohner und besitzt eine Kirche im neoromanischen Stil. Die Kirche wurde 1924 auf dem Fundament des im Ersten Weltkrieg zerstörten Gotteshauses errichtet. Der kleine Ort lag 1918 völlig in Ruinen. Heute reihen sich Häuser mit den für den Norden typisch roten Klinkerfassaden an den beiden Verkehrsadern auf. Ein unspektakuläres Dorf, in dessen Nähe im Juli 1916 ein riesiges Gemetzel stattfand.

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Zeitzeugen der blutigen Kämpfe gibt es nicht mehr. Der letzte Veteran des Ersten Weltkriegs, Claude Stanley Choules, starb im Mai 2011. Der 110 Jahre alte Brite gilt als der letzte Überlebende der mehr als 70 Millionen Soldaten, die damals im Einsatz waren. „Die schrecklichen Geschehnisse geraten zunehmend in Vergessenheit. Was bleibt sind die Schauplätze“, sagt Edouard Roose vom Tourismuskomitee Nord-Pas-de-Calais.

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Der Politologe ist für den Erinnerungstourismus der Region zuständig, zu dem auch die Chemins de mémoire 14-18, die Wege der Erinnerung 14-18 gehören. Ein Konzept, das 2007 entwickelt wurde, um die Vergangenheit wachzuhalten, die Europa politisch und geografisch völlig verändert hat. Es bietet dem Besucher zwischen Lille, Arras und Cambrai gleich vier Routen zu Sehenswürdigkeiten und Schauplätzen des Ersten Weltkriegs. Bei Fromelles führten Briten und Australier einen Angriff aus, der die Deutschen von der Schlacht an der Somme ablenken sollte, die seit dem 1. Juli 1916 in vollem Gange war. Ziel war die Einnahme des Sugar Loaf, des Zuckerhuts, eine wichtige Stellung der Deutschen bei Fromelles. Die schlecht vorbereitete Offensive begann am 19. Juli und endete einen Tag später in einem Desaster.

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An das Trauma, das als die „schlimmsten 24 Stunden“ in die Geschichte Australiens einging, erinnert das Cobbers-Denkmal. Es liegt nur zwei Kilometer von Fromelles entfernt. Im Mittelpunkt steht eine Statue des Unteroffiziers Simon Fraser, der auf seiner Schulter einen verwundeten Kameraden trägt.

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Viele der Gedenkstätten im Norden Frankreichs sind Friedhöfe der Commonwealth-Staaten. Sie gehören zu den schönsten der Region, wenn man das über ein Gräberfeld sagen darf. Einer davon ist der stimmungsvolle Trou Aid Post Cemetery in Fleurbaix, keine zehn Kilometer von der Begräbnisstätte der Australier entfernt. Er ist von Wassergräben umgeben und mit Trauerweiden bewachsen. Mehr als 350 Soldaten der britischen Armee ruhen hier unter weißen Kreuzen. Rund um die Kreuze blühen Rosen oder roter Mohn, in vielen Ländern die Blume des Friedens.

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Ob der Dud Corner Cemetery in Loos-en-Gohelle oder der Cabaret-Rouge-Cemetery am Ortseingang von Souchez: Die Friedhöfe des Commonwealth sind an ihrem Stil zu erkennen. Sie sind mit Bäumen und Blumen bepflanzt und erinnern an Gärten und Parks.

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Es geht weiter zum kanadischen Nationaldenkmal von Vimy rund 30 Kilometer südlich von Fromelles. Das Monument steht für 11 285 als vermisst gemeldete Kanadier. Schon von weitem sind auf der N17 in Richtung Lens die beiden weißen, 27 Meter hohen Türme zu sehen. Das Denkmal wurde an der Stelle errichtet, an der am 10. April 1917 kanadische Truppen den entscheidenden Sieg in der Schlacht von Vimy gegen die Deutschen erlangten.

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Auf der anderen Seite des Bergkamms von Vimy liegt der Nationalfriedhof Notre-Dame-de-Lorette. Der 165 Meter hohe Hügel war zwischen Oktober 1914 und September 1915 einer der blutigsten Schauplätze des Ersten Weltkriegs. Die Deutschen hatten diesen strategisch wichtigen Beobachtungsposten erobert, von dem aus sie die Bewegungen der alliierten Armeen genau verfolgen konnten. Am 9. Mai 1915 starteten die französischen Truppen einen Sturmangriff, um die deutsche Stellung zu zerstören. Sie konnten die Lorettohöhe einnehmen, mussten aber vor Vimy kapitulieren.

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Bei den Kämpfen starben etwa 102 000 Mann, viele wurden auf dem 25 Hektar großen Plateau begraben: 20 000 Tote wurden unter weißen Kreuzen bestattet, die sich in Reihen anordnen, die 22 000 unbekannten Soldaten wurden in Beinhäusern beigesetzt. Eines liegt im sogenannten Laternenturm, dessen Licht nachts wie zur Mahnung leuchtet.

Und die deutschen Gefallenen? Sie fanden in Neuville-Saint-Vaast ihre letzte Ruhe, einem kleinen Ort, der am Ende des Krieges in Schutt und Asche lag. Am Eingang des Friedhofs, der direkt an der Straße liegt, steht ein Kreuz mit der Inschrift: „Paix aux hommes de bonne volonté“, Friede den gutwilligen Menschen.

Der Rasen ist mit schmucklosen Metallkreuzen übersät. Sie sind schwarz, so sah es der Versailler Vertrag für alle deutschen Gefallenenfriedhöfe vor. Auf jeder Seite stehen die Namen von zwei Toten, dazwischen Steinstelen für die im Kampf gefallenen jüdischen Soldaten. Inmitten des Gräberfelds bleibt der Blick an einem massiven Steindenkmal hängen, das den 8040 Gefallenen gewidmet ist, die im Gemeinschaftsgrab ruhen. „Ich hatt' einen Kameraden“ ist darauf zu lesen - die erste Strophe des 1809 von Ludwig Uhland verfassten Gedichts „Der gute Kamerad“.

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