„Kängu-Ruinen“ und Notfall-Schlafsack: Wanderurlaub in Tasmanien

Darlington/Waratah (dpa/tmn) — Sechs Tage mit dem Rucksack durch die Wildnis wandern: Der Overland Track gehört zu Tasmaniens großen Abenteuern. Bei Urlaubern ist der Pfad beliebt, doch er ist nicht die einzige attraktive Route auf der Insel.

Adam Kilvert hat starke Nerven, und er hat Mut. Der Manager aus Brisbane liegt bäuchlings auf der Spitze von Bishop & Clerk, einem Gipfel auf Maria Island, und er robbt immer weiter an die Abbruchkante heran. Dann schiebt er seinen Kopf über den Rand des Doleritgesteins - und blickt gut 600 Meter fast senkrecht in die Tiefe. „Sei vorsichtig“, ruft seine Freundin Margie, während Adam die Arme ausstreckt und mit seiner Kamera einzufangen versucht, wie dort unten die Wellen des Südpazifiks gegen die Felsen klatschen.

Maria Island ist eine kleine Insel vor der Ostküste Tasmaniens, ein Außenposten Australiens und zugleich ein Nationalpark. Die Tour hinauf zu Bishop & Clerk gehört zu den beliebtesten Aktivitäten hier. Vier bis fünf Stunden hin und zurück sind es von Darlington aus, dem einzigen Ort auf Maria Island. Erst führt der Weg durch eine hügelige Graslandschaft und lichten Eukalyptuswald, später in Serpentinen rund 150 Höhenmeter über ein breites Geröllfeld. Am Ende sind einige größere Brocken zu erklimmen, dann reicht der Blick weit: über den Ozean und zur tasmanischen Hauptinsel, nur 30 Fährminuten entfernt.

Wanderer, die ohne Unterstützung eines Touranbieters ihre Stiefel schnüren, sind weiterhin in der Mehrheit. Wer keine Ausrüstung mitbringt, kann sich Zelte, Schlafsäcke und Kochgeschirr auch in Tasmanien leihen und losmarschieren — zum Beispiel in Freycinet. Dort ist Coles Bay als Ausgangspunkt vieler Routen verhältnismäßig leicht erreichbar, was nicht für alle Wandertouren gilt. Ohne gute Planung stoßen die Individualwanderer manchmal rasch an ihre Grenzen.

In Freycinet zum Beispiel werden für beliebte Campsites die Übernachtungsplätze in der Hochsaison lange im Voraus verlost. Und auf den Overland Track, der im Zentrum Tasmaniens über 65 Kilometer von Cradle Mountain zum Lake St. Clair führt, dürfen täglich nur maximal 34 Wanderer starten. Auch sie müssen sich lange vorab anmelden und in den Monaten November bis April eine Gebühr zahlen. „2012 ist diese Gebühr auf 200 Dollar pro Person angehoben worden, um den großen Andrang auf den Overland Track stärker zu regulieren“, erklärt Annabelle Sweetman, Wander-Expertin bei Tourism Tasmania.

Maria Island ist heute ein Schutzgebiet für den Tasmanischen Teufel. Dieses kleine, aggressive Beuteltier ist auf der Hauptinsel durch eine Infektionskrankheit bedroht, die Gesichtstumore auslöst. Im November 2012 wurden die ersten 15 Tasmanian Devils ausgewildert. Das Programm soll dazu beitragen, dass die Art nicht ausstirbt. Dazu werden die gesunden Tiere auf Maria Island von den kranken Artgenossen isoliert. Wanderer bekommen die Teufelchen in der Regel nicht zu sehen.

Ein Teil Tasmaniens, der von der todbringenden Tumorkrankheit bisher verschont blieb, ist die Regenwaldregion Tarkine im Nordwesten. Auch sie ist ein exzellentes Wandergebiet, im Vergleich zu Maria Island oder zum Freycinet Nationalpark weist sie aber einen großen Unterschied auf: Die markierten Pfade sind im Grunde nur für Eingeweihte zu finden, weil die Ausgangspunkte versteckt in einem einsamen Waldgebiet liegen, das fast so groß ist wie das Saarland.

Irgendwo westlich von Waratah biegt Rob Fairlie vom Highway ab. Über holprige Schotterpisten lenkt der 43-Jährige sein Allradfahrzeug fast eine Stunde lang bergauf, bis er den Wagen am Wegesrand parkt. Nun geht es zu Fuß weiter, immer tiefer hinein in eine Landschaft, die ebenso ursprünglich und menschenleer wie rohstoffreich und bedroht ist. Robs Ziel ist ein Camp, das sein Unternehmen Tarkine Trails im Regenwald gebaut hat, mit einem Langhaus und einigen Zelten. In denen warten schmale Pritschen auf Gäste, die — abseits aller Handynetze - ein paar Tage von allem weit entfernt sein wollen.

Das Camp auf der Tiger Ridge dient als Basis für Tageswanderungen. Eine führt zum Huskisson River, der träge über zahllose, glatt geschliffene Steine hinweg plätschert. „50 Kilometer sind es von hier nach Westen bis zum Meer. Die nächsten Straßen liegen 40 Kilometer im Norden und jeweils 20 Kilometer im Süden und Osten“, sagt Rob. Obwohl er das Camp nur für wenige Stunden verlassen hat, trägt er im Rucksack einen Schlafsack für den Notfall bei sich: „Falls sich hier einer das Bein bricht, dann muss er sich warmhalten, im Zweifel auch über Nacht. Denn wenn jemand von hier aufbricht um Hilfe zu holen, kann es bis zu 24 Stunden dauern, bis der Verletzte geborgen wird.“

Zum Glück geht es ohne gebrochene Gliedmaßen zurück ins Camp, wo Rob Fairlie Lachs mit Nudeln, Tomaten und Zwiebeln in einer Sahnesoße zubereitet, alles in der Kühlbox mitgebracht. Der Wald sorgt für eine besondere Geräuschkulisse. Die Eukalypten rauschen wie ein Wasserfall, der künstlich reguliert wird: Erst ist es nur ein leises Geraschel, das lauter wird, wieder nachlässt und nochmals anschwillt. Dann geht das Rauschen erneut zurück — und wird für einen Moment zur perfekten Stille, bis ein paar Fliegen diese surrend durchbrechen.

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