Katar: Eine Wüste direkt am Meer

Das Emirat Katar im Spagat zwischen Tradition und Moderne — und dem Tourismus.

Katar: Eine Wüste direkt am Meer
Foto: Joe Chua Agdeppa

Doha. Es ist heiß und schwül, sogar im späten Herbst klettern die Temperaturen noch auf knapp 40 Grad. Der warme Wind weht einen Schleier aus Staub und Sand auf. Das Emirat Katar zählt zu den trockensten Regionen der Welt, es besteht fast nur aus Sand und Salzflächen. Die Hauptstadt Doha, ganz im Osten an der Küste des Persischen Golfes, trotzt der Wüste: Hochhäuser mit blau-glänzend verspiegelten Fenstern, bizarr geformte Wolkenkratzer und Hoteltürme ragen in den blauen Himmel, hunderte Baukräne zeugen von einer boomenden Metropole. In Doha wird gebaut. Tag und Nacht.

Katar: Eine Wüste direkt am Meer
Foto: Daniela Kebel

Obwohl die aktuellen Ermittlungen gegen Funktionäre und Entscheidungsträger der FIFA Wasser auf die Mühlen der Zweifler und Gegner der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar sind, werden die Stadien weiter gebaut. Tag und Nacht. Das Hauptstadion im Zentrum ist mittlerweile halb fertig, die Baustelle gut zu sehen vom gegenüberliegenden Hotel „The Torch“. Wie eine große Taschenlampe ragt der Hotelturm aus der Aspire Zone, dem Sport-Viertel der Stadt, empor und bietet seinen Gästen Restaurant und Ausblick aus rund 300 Metern Höhe.

Von oben sind die Straßen und Stadtteile wie mit dem Lineal gezogen schachbrettartig angelegt, denn außerhalb des Zentrums gibt es keine Hochhäuser. Dort stehen die Häuser, besser gesagt Villen, der Katari, der Einheimischen. Beigefarben oder weiß, umgeben von sandigen Straßen ohne Grün, ohne Bäume, dafür aber von hohen Steinmauern. Nur etwa jeder Siebte der Gesamtbevölkerung von derzeit rund zwei Millionen Menschen ist gebürtiger Katari. Alle anderen sind Gastarbeiter aus Nepal und Indien, die hauptsächlich auf den Baustellen arbeiten, oder Expats aus Asien und Europa. Vor allem die Luxushotels legen Wert auf bestes Personal vom Sternekoch bis zum welterfahrenen Hoteldirektor. Sie alle leben im Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt — doch davon profitieren in erster Linie die Einheimischen.

Öl und Erdgas sprudeln. Nach Perlen — die vor langer Zeit den ersten Reichtum brachten — braucht schon lange niemand mehr zu tauchen. Dieser einstigen Einnahmequelle wird aber heute noch gedacht: Mit der künstlich geschaffenen und ausschließlich mit Luxusobjekten bebauten Insel „The Pearl“ im Norden Dohas vor der Küste.

Dort können Gäste übrigens nicht nur in Fünf-Sterne-Hotels wie dem Kempinski Marsa Malaz übernachten, sondern auch Apartments oder Villen kaufen — letzteres ist in Doha sonst so gut wie unmöglich. Auch die neun Inselchen, die von „The Pearl“ aus wie an einem Faden ins Meer gezogen sind, stehen zum Verkauf. Wer sie besitzt, kann darauf bauen, was er will. Und befindet sich in guter Gesellschaft: Dem Emir gehört bereits eine.

Es scheint, als sei das Emirat am Tourismus interessiert. Doch hinter vorgehaltener Hand wird etwas anderes gesagt: Der Bauboom habe nichts mit dem Wunsch nach Gästen aus aller Welt zu tun, sondern solle beweisen, dass Katar höher, schneller, besser und weiter könne. Zum Beispiel als Abu Dhabi. Denn mit Dubai wolle man sich nicht vergleichen. „Zu westlich“, erzählt ein Katari in traditioneller Kleidung im Souk Waqif, schüttelt den Kopf und geht weiter.

Tatsächlich ist Katar ein bisschen wie eine Zeitreise in die Vergangenheit, zumindest verglichen mit Dubai und Abu Dhabi. Alle Katari-Frauen sind komplett mit einer schwarzen Abaja verschleiert, meist sind nicht einmal schmale Sehschlitze für die Augen frei, sie haben keinen Zutritt zu den hippen Hotelbars in Doha. 95 Prozent der Bevölkerung sind Moslems, die Scharia ist die Basis der Gesetzgebung.

Doch als westlicher Besucher lässt es sich entspannt reisen, traditionelle Souks mit Gewürzen, Stoffen, Parfum, Kleidung und kleinen Restaurants besuchen, in modernen Einkaufszentren, wie beispielsweise der Villaggio Mall, alle namhaften Modelabels und teuren Schmuck kaufen oder sogar mit venezianischen Gondeln durch die künstlichen Kanäle dieser Mall fahren. Kulturelle Stätten wie Katara laden ins Amphitheater, in die Oper oder ins Schauspiel ein, und in lizenzierten Fünf-Sterne-Hotels oder Bars gibt es teilweise sogar Alkohol.

Nicht zu vergessen: die spannenden Ausflüge in die Wüste. Vom Kamelreiten über Quad-Touren bis zu Dünenfahren in Geländewagen ist alles möglich. Auf Romantiker warten Wüstencamps mit der Möglichkeit, dort auch zu übernachten: In der Wüste und gleichzeitig am Arabischen Golf, südlich von Doha und nahe der Grenze zu Saudi Arabien. Dort frisst sich bei Flut die Brandung in die Dünen, bei Ebbe scheint sich die Wüste ihren Sand vom Meer wieder zurückzuholen. Ein Schauspiel, das noch nicht einmal dadurch verliert, dass die Sonne nicht im Meer untergeht.

Doch auch dort gilt: Den Komfort, den Gäste aus Desert Camps in Abu Dhabi kennen, sollten sie in Katar nicht erwarten. Vielmehr liegen Müll und allerlei Plastik rings ums Camp im Sand, teilweise angespült aus dem Meer. Helle Neonröhren strahlen in den Zelten statt gemütlicher Laternen oder Fackeln. Einheimische oder gut verdienende Expats gönnen sich dort einen freien Tag am Meer. Der ausländische Tourismus steht noch ganz am Anfang. Ob Katar ihn weiterentwickelt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Die Autorin reiste mit Unterstützung der Qatar Tourism Authority.

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