La Gomera: Mit den Hippies im ewigen Frühling

Valle Gran Rey (dpa/tmn) - Im Winter bevölkern Deutsche das Valle Gran Rey auf La Gomera. Das sonnenverwöhnte Tal auf der Kanareninsel ist ein Zufluchtsort für die Blumenkinder von einst geblieben. Ein alternatives Bildungsbürgertum erholt sich beim Wandern und Yogis.

Es ist ein Ritual, mit dem das Valle Gran Rey den Tag verabschiedet: Wenn die Sonne im Atlantik versinkt, ziehen sie an den Strand, die Bongo-Trommler, die Klarinetten- und Gitarrenspieler. Diesmal postiert sich ein Jongleur in Leinenhose vor dem Publikum. Barfüßig und bärtig kommt er daher, die Dreadlocks zum stattlichen Kopfknäuel getürmt. Eindrucksvoll schwingt der Hippie brennende Seile durch die salzige, warme Luft. Flammen züngeln in den Himmel und schwingen kleine Kreise.

Ein Hauch von Flower Power weht durch La Playa. Valle Gran Rey, das Tal im sonnigen Südwesten La Gomeras, gilt als Kultstätte der alten Hippies. Die nötige Lässigkeit scheint den Wiederkehrern über all die Jahre nicht abhanden gekommen zu sein: Frauen baden gern barbusig am schwarzen Steinstrand, bei Sonnenuntergang kreisen Weinflaschen und selbstgebaute Zigaretten. Sobald der Feuerschwinger mit seiner Vorstellung am Ende ist, wirft jeder ein paar Cent in die bunte Mütze - alte Rituale müssen gepflegt werden.

Am Ende der 1960er Jahre pilgerten die Blumenkinder auf die bis dahin noch völlig unerschlossene Kanarische Insel. Es war die Zeit des Vietnamkriegs; Kanadier und Amerikaner waren die ersten, die kamen. Sie kampierten am Strand von Valle Gran Rey, lebten monatelang in den zerklüfteten Felswänden der Schweinebucht. „Unsere Vollmondpartys waren legendär, sehr bewusstseinserweiternd“, erzählt die Londonerin Diana Clayton. Wenn sie in Erinnerungen schwelgt, lächelt sie selig.

Clayton, eine zierliche Frau mit toupiertem Pferdeschwanz, kam 1970 auf die Insel. Ihr Abenteuer begann sie im zarten Alter von 17. „Das Postboot fuhr mitten in der Nacht aus Teneriffa ab, erst acht Stunden später erreichte ich San Sebastián“, erzählt sie. Damals gab es keine Häfen, Passagiere wurden mit einem Kran an Land gehievt.

Der Weg von der Inselhauptstadt ins Valle Gran Rey war steinig. Es ging über hohe Berge und durch tiefe, von Kleinbauern bewirtschaftete Terrassentäler. „Wir waren auf der Suche nach Ursprünglichkeit, nach einem Leben fernab der Zivilisation“, sagt Clayton. Auf der Insel gab es verwunschene Lorbeerwälder und exotische Bananenplantagen, Schluchten, ausgedorrte Landstriche und Steinwüsten. Heute finden Touristen abgesteckte Wanderwege und gut geteerte Straßen mit Steinschlag-Warnungen vor. Damals war das anders: Auf dem einstigen Hippie-Trail sind noch Kreuze zu sehen, die an tote Pilger erinnern.

Die meisten Hippies aber fanden den Weg ins Valle Gran Rey, damals ein verschlafenes Fischerdorf. „Als wir ankamen, hatten wir das Gefühl, am Ende der Welt angekommen zu sein“, sagt Diana Clayton. Von der einstigen Ursprünglichkeit ist wenig übrig. Die Schweinebucht, in der ab und zu noch Hippies übernachten, wird einmal pro Jahr von der Polizei geräumt, auch wildes Campen ist verboten. Ebenso ungern gesehen: Wohnmobile oder Hunde am Strand. In den Wintermonaten kommen organisierte Wandergruppen, und seit Norweger den Hafen ausbauten, legen auch Kreuzfahrtschiffe an.

Dennoch hat sich die zweitkleinste Kanareninsel ihren Charme bewahrt. Bettenburgen wie auf Teneriffa oder Gran Canaria gibt es nicht, der Gomera-Tourist nächtigt stattdessen in Appartements. Knallbunt schmiegen sie sich in die Felshänge wie Legoklötzchen, umgeben von Palmenhainen und Bananenplantagen. Mittendrin in La Playa eine Taverna, aus der trotzig kanarische Musik erklingt. Das „Casa Maria“, ein Gasthaus mit Holzbalkonen, ist einer der wenigen Treffpunkte von Inselgästen und Einheimischen. Maria Gonzales dirigiert schon seit den 60er Jahren die Geschäfte - eine Senora mit weißen Locken, in züchtigem dunklen Rock, 84 Jahre alt.

Die Kanarierin blickt etwas verlegen auf ihre Filzpantoffeln, wenn sie auf die ersten Hippies angesprochen wird. Männer und Frauen, die gerne nackt am Strand tanzten: „Wir haben uns sehr gewundert.“ Eine anstrengende Zeit sei das gewesen, in der Senora Gonzales die Speisetafeln bewachen musste. Die Hippies zählten eher zu den schnorrenden Gästen, „sie grapschten gierig nach den Essensresten.“

Inzwischen sei der deutsche Tourist aber erträglich, fasst Maria Gonzales es zusammen. Der Tourist kauft gern im Hafenviertel Vueltas: Delfin-Ohrringe, Batik-Shirts, Dinkelbrot oder Tofu aus deutschen Reformhäusern. Inzwischen gibt es deutsche Bäcker und Metzger. Wellness geht mit Sinnsuche einher: Bhagwan-Anhänger offerieren Meditationskurse, Heiler therapieren mit Bachblüten, legendär ist das Reiki bei Sonnenaufgang oder Steinmännchenkunst bei Sonnenuntergang.

Und wenn der Mond über dem Valle Gran Rey leuchtet, dann kehrt der Geist der alten Hippies zurück. Erfahrene Gomerianer kennen sie, die geheimen Treffpunkte an steilen Felsklippen, abgeschieden in den Bergen. Dort erklingt dann Musik von Jimi Hendrix oder Janis Joplin. Es kreisen Joints und Palmweinflaschen. Hier ist es fast wie früher, als die ersten Hippies glaubten, auf Gomera am Ende der Welt zu sein.

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