Mit Ochs und Pferd zur weißen Taube - Wallfahrt nach El Rocío

El Rocío (dpa/tmn) - Jedes Jahr zu Pfingsten pilgern Hunderttausende in den spanischen Wallfahrtsort El Rocío, um einer Marienstatue zu huldigen. Ein Spektakel aus andalusischer Folklore, spanischem Volksfest und religiöser Inbrunst.

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Langsam bahnt sich der festlich mit Blumen geschmückte Ochsenkarren der katholischen Bruderschaft den Weg durch die Gassen von Sanlúcar de Barrameda. Obwohl es noch früh am Morgen ist, begleiten Tausende Bewohner des kleinen Küstenstädtchens an der südspanischen Atlantikküste die Pilger zum Flussufer des Guadalquivir.

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„Viva la Virgen del Rocío“, „es lebe die Jungfrau von Rocío“, rufen die Menschen. Einige weinen vor Freude. Andere weinen aus Kummer, da sie nicht mit zum Wallfahrtsort El Rocío pilgern können. Viele leiden unter der Krise und der hohen Arbeitslosigkeit und können sich die mehrtägige Pilgerreise in diesem Jahr nicht leisten. Am Flussufer nehmen sie Abschied von der Bruderschaft.

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Es beginnt leicht zu regnen, doch Pepi lässt sich ihre gute Laune nicht verderben. „Für uns Rocieros ist die Wallfahrt nach El Rocío wichtiger als Weihnachten oder Ostern“, versichert die 55-jährige Andalusierin. Pepi Pérez Domínguez ist die Hermana Mayor, die Vorsitzende der Bruderschaft Hermandad del Rocío de Sanlúcar de Barrameda, die im vergangenen Jahr ihr 350. Jubiläum feierte. Schon das ganze Jahr über hat sie sich auf die Pilgerschaft zur Ermita del Rocío gefreut, wo der Marienstatue Blanca Paloma, der weißen Taube, gehuldigt wird.

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El Rocío, das kleine 800-Seelen Nest am Rande des Nationalparks Doñana ist nach Santiago de Compostela, Zielpunkt des Jakobsweges, Spaniens wichtigster Wallfahrtsort. Vor allem im tiefgläubigen Andalusien wird die Jungfrau von Rocío verehrt. Die meisten der rund hundert Bruderschaften im Pilgerzug stammen aus der südspanischen Provinz. Bis zu eine Million Pilger und Gläubige treffen sich am Pfingstwochenende in dem Dorf.

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Drei Tage lang ziehen die Pilger durch den Doñana-Park an der Costa de la Luz bis zur Kapelle von El Rocío in der Provinz Huelva. Fast 60 Kilometer sandige Trampelpfade, die durch Pinienwälder und durch atemberaubende Dünenlandschaften führen. Der Nationalpark ist ein einzigartiges Ökosystem aus flachen, periodisch überschwemmten Feuchtgebieten, das 1994 zum Unesco-Weltnaturerbe erklärt wurde. Kormorane, Flamingos und sogar vom Aussterben bedrohte Tierarten wie der spanische Kaiseradler oder der iberische Luchs sind hier zu Hause. Dennoch ist es den Rocío-Bruderschaften gewährt, den Doñana-Park auf ihren jahrhundertealten Pilgerpfaden zu durchqueren.

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Der Tross aus geschmückten Ochsen- und Eselkarren, Geländewagen, Pferdekutschen, Planwagen, Reitern und Wanderern setzt sich in Bewegung. Es staubt gewaltig auf den Sandpisten. Viele Pilger ziehen sich ihre Halstücher tief ins Gesicht. Vor und hinter dem Ochsenwagen gehen Spanierinnen in bunten Flamenco-Kleidern mit Kunstblumen im schwarzen Haar. Die Männer tragen schnittige Anzüge und Sombreros.

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Der Mainzer Rudolf Schuster und seine fünf Freunde sind zum ersten Mal dabei. „Wir hatten im Fernsehen Reportagen über El Rocío gesehen. Wir hätten uns aber nie erträumt, dass es sogar Möglichkeiten gibt, mit Bruderschaften mitgehen zu können“, erzählt Rudolf, während er sich durch den Sand kämpft und dabei leicht außer Atem gerät. Was seinem Freund Burkhard besonders gefällt: „Die Gastfreundlichkeit, mit der wir hier aufgenommen werden. Sobald sie sehen, dass wir Durst haben könnten, kommt sofort jemand mit Getränken und Essen an.“

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„Lebensfreude, Geselligkeit, das fröhliche Beisammensein. Das ist die andere Seite der Wallfahrt“, verrät Pepi, die Hermana Mayor. Trotz des tief religiösen Charakters der Wallfahrt wird auf dem Weg unentwegt gefeiert, gelacht und getrunken. Teller mit spanischem Schinken, Käse, Tortilla und Garnelen aus dem nahen Huelva machen immer wieder die Runde. Bei jedem musikalischen Zwischenstopp werden Bierdosen geöffnet, Weinflaschen entkorkt und der lokale Manzanilla, eine Art Sherry, ausgeschenkt.

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Bei der Ankunft gleicht das Dörfchen El Rocío der Kulisse eines Western-Films: Vor den Veranden der einstöckigen Stein- und Holzhäuser stehen Holzpflöcke, an denen die Pferde angebunden werden können. Autos sind verboten. Die Bruderschaft hat ihr Haus direkt neben der Ermita. Ein riesiges, altes Steinhaus aus dem Jahre 1660. Doch erst einmal besuchen alle die Blanca Paloma, die Jungfrau von El Rocío.

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Und dann geht das Fest erst richtig los: In der Bruderschaft von Sanlúcar stehen die Tische voll mit köstlichen Tapas, es wird schon wieder kräftig getrunken, gesungen und getanzt. Doch können die Rocieros von einem Moment auf den anderen wieder umschalten und spirituellen Ritualen folgen. Es gibt Messen und nächtliche Fackelumzüge. Am nächsten Tag ziehen die Bruderschaften in festgelegter Reihenfolge mit ihren Wappen und Standarten an der offenen Kirchentür vorbei, um der Blanca Paloma ihre Ehre zu erweisen.

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Der Höhepunkt der Festlichkeiten ist der Auszug der Heiligen Jungfrau in der Nacht zu Pfingstmontag. Gegen 3.00 Uhr springen die Mitglieder der Mutter-Bruderschaft von Almonte über die Altar-Absperrung und tragen die Marienstatue nach draußen, wo sich Hunderttausende Gläubige drängen. Die ganze Nacht durch bewegt sich die Marienstatue auf den Schultern der Träger wie ein schwankendes Schiff auf hoher See durch die Menschenmassen. Erschöpft, heiser, aber glücklich beladen Pepi und ihre Bruderschaft am nächsten Tag ihre Karren, Kutschen und Geländewagen und verschwinden wieder in den unermesslichen Pinienwäldern des Doñana-Parks. Es geht zurück nach Sanlúcar de Barrameda.

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