Nordfrankreich: Von der Klippe mutig in die Tiefe hüpfen

Eine tolle Sportreise mit Gleitschirmfliegen, Wasserwaten, Kitesurfen — und fantastischen Blicken auf das blaugrüne Meer der Opalküste.

Düsseldorf. Soll ich oder soll ich nicht? Jahrelang habe ich vom Gleitschirmfliegen geträumt, jetzt ist die Gelegenheit günstig, doch plötzlich bekomme ich Bedenken. Nicht wegen des Fliegens, sondern wegen der Landung auf dem grasigen Grund.

Fluglehrer Cyprien Lefebre legt den Gleitschirm zurecht und kontrolliert, ob all’ die vielen Schnüre, die den Schirm halten, freiliegen. Danach passt er uns den Sitz für den Tandemflug an und einen Helm.

Tatort ist ein Platz auf der Steilküste am Cap Gris-Nez nahe Boulogne-sur-Mer. Östlich liegt das Cap Blanc-Nez. Zwischen der grauen und der weißen Nase wollen wir starten. Gegenüber zeichnen sich die Kreidefelsen bei Dover ab. Die Straße von Dover, auf Französisch Pas de Calais (Schritt nach Calais), ist hier nur 34 Kilometer breit. Ständig verkehren die Fähren.

„Beim Landen in den Beinen wippen und hin- und herlaufen, wenn der Schirm zerrt,“ erklärt Cyprien. Das schau ich mir zunächst mal an. Leicht und locker fliegen die anderen und wirken ganz entspannt. Auch kriegt Cyprien bei jeder Landung den Gleitschirm schnell unter Kontrolle, so dass niemand zu Fall kommt und am Boden abrollen muss. Nun stehe auch ich auf dem Rand der Steilküste. Bloß nicht gleich weiche Knie kriegen. „Debout, debout! Immer schön aufrecht stehen!“ ruft Cyprien. Mit einem Knall fährt der Wind ins rot-gelbe Tuch, und schon heben wir ab.

Komfortabel wie im Schaukelstuhl schweben wir vom Wind geschoben hoch über der Küste. Nur Fliegen ist schöner? Nein. Gleitschirmfliegen! „Nous sommes marriés maintenant. Wir sind jetzt verheiratet!“ lacht Cyprien.

Zu diesem „Ehemann“ auf Zeit habe ich wirklich volles Vertrauen. Mal ein Stück hinaus übers Meer fliegen? „Das geht nicht, dort habe ich nicht genug Auftrieb,“ antwortet Cyprien. Er braucht die Thermik an der Steilküste und auch mehrere Anläufe, um wieder hoch zu kommen. Ganz dicht schweben wir an den Felsen vorbei, fast kann ich sie mit den Füßen berühren.

Nur nicht unten am Strand landen müssen, denn das ist heikel. Doch keine Bange. Stetig gewinnen wir an Höhe, und auch die Landung klappt perfekt. Gern noch einmal, denke ich. Noch ein Kuss mit kratzigem Dreitagebart und nun ab in die Altstadt von Boulogne-sur-Mer. Bei frischem Fisch und saftigen Steaks in „Les Terrasses de l’Enclos“ schwärmen alle von diesem besonderen Erlebnis.

Zum Ausgleich nun eine leichte Wanderung auf dem „GR du Littoral“ übers Cap Gris-Nez, einem regionalen Naturschutzgebiet. Von Aussichtspunkten schauen wir auf das blaugrüne Meer. Opalküste heißt dieser Abschnitt von der belgischen Grenze bis südlich von Le Touquet. Insgesamt sind das 100 Kilometer Sandstrand plus 20 Kilometer Steilküste.

In der Ferne ragt die „weiße Nase“(Blanc-Nez) keck in die Wellen. Da Ebbe ist, stapfen Fußgänger, von oben wie Ameisen wirkend, über den breiten Strand. Nichts wie runter und die Füße im Wasser kühlen. Solche breiten und festen Strände sind auch fürs Strandsegeln ideal. Sitzend und vom Wind getrieben am Wasser entlang rollen — auch das hat was.

„Die Wenden mit Schwung nehmen und stets auf dem harten Strandabschnitt bleiben,“ mahnt der Instrukteur. Recht hat er. Auf weichem Boden bleiben die Räder stecken, und wer dem Wasser zu nahe kommt, kriegt eine Schlammsalve ab. Je mehr wir am Wind fahrend das Segel anziehen, umso schneller rollt das Gefährt.

Eine neue Sportart lernen wir in Dunkerque (Dünkirchen) kennen: Longe-Côte, das bedeutet im Neoprenanzug entlang der Küste durchs Wasser hüpfen. „Longe-Côte beruhigt die Nerven und schafft Kontakte“, erzählt Initiator Jean-Claude Gokelaerre. Die Menschen sollen im Wasser miteinander plaudern. An Wochenenden machen das Hunderte und bilden einen fröhlichen Lindwurm.

Jean-Claude hat uns an Land noch ein Paddel in die Hand gedrückt. Das sollten wir Frauen später an kräftige Männer weiterreichen. In der Tat kommen wir ohne Paddel leichter voran. Wie weit waten wir? „Bis zur belgischen Grenze,“ sagt Jean-Claude grinsend. Das nicht, doch bei der Rückkehr nach etwa eineinhalb Stunden wissen alle, was sie getan haben.

Hungrig stürzen wir uns in der rappelvollen „Taverne de Westhoek“ in Quaedypre nahe Dunkerque auf die „Moules frites“, Muscheln im Weißweinsud mit Pommes. Trotz dieser Stärkung reicht unsere Kondition nicht mehr fürs Kitesurfen. Also bewundern wir die Durchtrainierten, die sich vom Schirm, auf Rollbrettern stehend, über den Strand oder rasant durchs Wasser ziehen lassen.

Eine Domäne dafür ist der Paris-Plage in Le Touquet. In diesem Traditionsbad der Pariser können wir auch mit einem Katamaran in See stechen oder relaxt Ferien à la française machen — bei Kaffee und Kuchen mit Tischen und Stühlen direkt auf dem Sand. Andere amüsieren sich derweil im Spaßbad l’Aqualud, viele flanieren und radeln auf der langen Promenade. Dort gibt es auch leuchtende Karussells und bunte Plastik-Strandburgen für die Kids.

„Joie de vivre“, Lebensfreude, steht an einem Strandspielplatz. Das trifft auch auf uns zu.

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