Schmuckstück im Kaukasus - Georgiens Hauptstadt Tiflis

Tiflis (dpa/tmn) - Am Flughafen von Tiflis fühlen sich Reisende aus Deutschland in Georgien schnell willkommen. Die Grenzbeamtin stempelt den Pass, reicht eine Flasche Rotwein über den Tresen und sagt: „Welcome to Georgia!

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“ Keine Nachfragen, kein mürrischer Blick, der Gast darf ohne Visum ein Jahr bleiben.

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Georgien will unbedingt in die Europäische Union, das merkt man sofort. Der deutsche Tourist dagegen will bislang eher nicht nach Georgien. Wer ein paar Tage in der Hauptstadt Tiflis verbringt, fragt sich: Warum eigentlich nicht?

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Dass Georgien selten als Reiseland wahrgenommen wird, liegt vor allem an seiner Vergangenheit. Bis zur Rosenrevolution 2003 grassierten Kriminalität und Korruption. Im Kaukasuskrieg 2008 kämpfte das Land fünf Tage mit Russland, was den Wunsch nach Westbindung noch einmal verstärkte.

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Tiflis ist Ausgangspunkt fast jeder Georgien-Reise. Es lohnt sich, hier ein paar Tage zu verbringen - die Stadt hat eine reiche Geschichte, die Georgier mussten sie immer wieder fremden Mächten abringen. Als König Wachtang I. Gorgassali im 5. Jahrhundert Tiflis zur Hauptstadt gemacht hatte, war sie Teil des Römischen Reiches. Im 7. Jahrhundert fielen die Araber ein, später die Perser und die Seldschuken. Im Mittelalter waren es die Choresmier, dann die Timuriden, in der frühen Neuzeit die Türken und wieder die Perser. 1799 rückte Russland ein - und blieb bis zum Ende der Sowjetunion.

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Tiflis war ein Knotenpunkt mehrerer Karawanenrouten, lag an der Seidenstraße. Die multikulturellen Einflüsse haben Tiflis geprägt. Heute fragt sich der unbelesene Besucher an vielen Orten, wo genau in der Welt er sich hier befindet.

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Was beim Flanieren durch die Altstadt auffällt, sind die vielen Kirchen. Die georgisch-orthodoxe Antschischati-Basilika aus dem 6. Jahrhundert ist die älteste. Der Torbogen ist im arabischen Stil gebaut, ein Zeugnis der Eroberer. In religiöser Hinsicht besonders wichtig ist die Zionskirche, Hauptsitz des Patriarchen der georgischen Kirche - der zweitmächtigste Mann des Landes, sagen manche. Als der Schah von Persien einfiel, machte er aus der Kirche kurzerhand eine Moschee. Die Mongolen zerstörten wiederum die Metechi-Kirche am Kura-Fluss, die dann tapfer wieder errichtet wurde.

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Die Historie von Tiflis lässt sich erzählen als eine fortwährende Geschichte von Zerstörung und Wiederaufbau. Verfall und Fortschritt, das sind auch die zwei entgegengesetzten Dynamiken, die Tiflis heute so interessant machen. Die Gezeiten nagen an den Jugendstil-Villen in Sololaki, die so wunderschön morbid aussehen, als taugten sie nur noch als Kulisse für einen Film. Der Weg durch die engen Gassen führt zur Betlemi-Kirche, deren Turm ein Holzgerüst umringt.

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Wer mit der Standseilbahn auf den Berg Mtazminda zum 274 Meter hohen Fernsehturm hinauffährt, stellt beim Blick über die Stadt fest: An einem bewölkten Tag sieht Tiflis ziemlich trostlos aus. Am Horizont erheben sich die grauen Wohnblöcke der Vororte aus Sowjetzeiten. Das Riesenrad und die Kirmes-Buden hier oben sind verwaist. Tiflis erschlägt den Besucher nicht sofort mit seiner Anmut, es wirkt nach und nach. Wer der Stadt etwas abgewinnen will, muss in die Kellerstuben gehen, die guten georgischen Wein ausschenken. Er muss neben landestypischen Teigtaschen (Chinkali) und gebackenem Käsebrot (Chatschapuri) die ambitionierte Küche probieren.

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Er muss sich abends unter die ausgelassenen Menschen mischen auf dem Rustaweli-Boulevard. In Abanotubani die schwere Hitze der Schwefelbäder auf der Brust spüren. In der Irakli-Abashidze-Straße in einem der Cafés die Zeit vergehen lassen. Hier fühlt sich der Gast wie in Italien oder Frankreich. Ist das schon Europa? Eine junge Georgierin in der Bar „Moulin Electrique“ erklärt bei einem Wein, sie fühle sich eindeutig als Europäerin, nicht als Asiatin.

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Bei der Fahrt von Norden in die Stadt fällt aber ein Verkehrsschild auf: „Teheran 1200 Kilometer“. Würde man zwei Tage durchfahren, wäre man in der Hauptstadt des Iran - mitten in Asien. Nach Berlin sind es mehr als 3000. Tiflis liegt zwischen den Kontinenten, das macht die Stadt so interessant. Und Tiflis sieht aus, als sei es dem Verfall gewidmet - doch vielleicht ist es gerade erst richtig im Kommen.

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