Schweizer Antwort auf den Eiffelturm: 100 Jahre Jungfraubahn

Jungfraujoch (dpa) - Jubel für ein Pionierwerk: Am Schweizer Nationalfeiertag 1912 fährt der erste Zug der Jungfraubahn in den höchsten Bahnhof Europas ein. 100 Jahre später trifft sich hier Asien mit dem Rest der Welt.

Chicken Masala zum Gletscherblick? Kein Problem. Eigens für Gäste aus Indien gibt es auf dem Jungfraujoch das „Bollywood“-Restaurant. Japaner betreiben vor der Kulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau den höchsten Uhrenladen Europas. Chinesen werden von Bergführern auf Mandarin begrüßt. Auf dem „Top of Europe“, wie Marketing-Experten das Jungfraujoch tauften, trifft sich Asien mit dem Rest der Welt. Möglich machte das die Eisenbahn. Vor 100 Jahren fuhr der erste Zug auf den höchstgelegen Bahnhof der Erde.

Es war die Erfüllung einer Vision. Die Schweizer Antwort auf den Eiffelturm. Ein technisches Wunder mitten in der alpinen Eiswelt. Bis dahin hatten sie nur kühne Bergsteiger aus der Nähe erlebt. „Diese Bahn soll unter allen Bergbahnen den ersten Platz erringen und behaupten“, hatte sich ihr Erfinder Adolf Guyer-Zeller bei der Gründung der Jungfraubahn-Gesellschaft gewünscht.

Die Eröffnung des letzten Streckenabschnitts am Nationalfeiertag der Schweiz, dem 1. August, im Jahr 1912 erlebte er nicht mehr. Mit 60 Jahren starb der umtriebige Industrielle 1899 an einer Lungenentzündung. Die Büste des „Eisenbahnkönigs“, der seine Energie und sein Vermögen auf dieses Projekt konzentrierte, begrüßt 3454 Meter über dem Meer am Tunnelbahnhof Jungfraujoch die Reisenden.

Auf den knapp zehn Kilometern von der Kleinen Scheidegg am Fuße des gigantischen Eiger überwindet die elektrisch getriebene Zahnradbahn in 52 Minuten - mit Zwischenhalts an den Stationen Eigergletscher, Eigerwand und Eismeer - einen Höhenunterschied von 1393 Metern. Der größte Teil der Strecke führt durch einen Tunnel im Bergmassiv von Eiger und Mönch.

Vier Mal täglich fährt Toni Teuscher die Strecke. Seit 16 Jahren ist er Berglokführer. Mit mehr als 700 Angestellten ist die Bahn der wichtigste Arbeitgeber der Jungfrauregion zwischen Interlaken und Grindelwald.

Sein größtes „Abenteuer des Schienenstrangs“ erlebte Teuscher an einem Pfingstmontag: „Da gab es heftig Neuschnee, plötzlich fiel der Strom aus“, erzählt er. „Bis der wiederkam, hatte sich die Batterie entladen, ich bekam den Motor nicht an. Zu Fuß schleppten wir ein Ladegerät hoch, vier Mann in vier Stunden, die Fahrgäste blieben aber ruhig.“ Heute kann so etwas dank Notstromnetz nicht mehr passieren.

Weit schwerere Arbeit leisteten einst die Gleis- und Tunnelbauer. Anfangs noch ohne maschinelle Unterstützung trieben sie den Bahnschacht mit Hämmern und Steinmeißeln voran. Die Behandlung der vor allem aus Italien angeheuerten Arbeiter ist alles andere als ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Jungfraubahn.

„Anfangs froren sie nachts in einfachen Zelten“, erzählt Tourguide Roland Fontanive. „Später gab es Baracken, aber die reichten bald nicht mehr. Nach der Schwerstarbeit mussten sich bis zu drei Männer ein Bett teilen.“ Der Lohn war nur karg.

Getrieben von der Not in ihren Heimatdörfern nahmen diese Männer schwere Entbehrungen auf sich. 30 kamen um, meist bei Sprengunfällen. Mehr als 16 Jahre nach dem ersten Spatenstich durchbrach am 21. Februar 1912 eine Explosion das Gestein zum Jungfraujoch. In der sonst eher trockenen „Neuen Zürcher Zeitung“ las man: „Der Jubelruf 'Durch!' widerhallte an den mächtigen Wänden, und in tiefer Ergriffenheit sanken die Kameraden sich in die Arme.“

Heutzutage geht es bequem mit dem Fahrstuhl vom Tunnelbahnhof zur Plattform auf der Felskuppe Sphinx. Von hier erscheint der „Olymp der Viertausender“ mit der Jungfrau als wilder Bergschönheit zum Greifen nahe. All das verbindet sich mit dem Label „Top of Europe“. Dass die bekannteste Dame der Alpenwelt mit ihren 4158 Metern durchaus nicht an den Mont Blanc heranreicht, den mit 4878 Metern höchsten Berg Europas, stört beim Anblick dieser Gipfelwelt niemanden.

Rund 750 000 Besucher werden von den Elektrotriebwagen der Jungfraubahn jährlich nach oben geschoben. Zwei Drittel kommen heute aus Asien, Tendenz steigend. Die Schwäche des Euro trägt dazu bei. „Die Europareise wird für viele Asiaten insgesamt günstiger“, sagt Jungfraubahn-Direktor Urs Kessler. Und zum Glück sei es gelungen, mit „Top of Europe“ eine starke Marke aufzubauen. „Asiaten sind stark auf Marken fixiert.“

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