Sex, Wachs und Rock'n'Roll - Mannheim bekommt Wachsfigurenschau

Mannheim (dpa) - Nichts für schwache Nerven: Ein neues Wachsfigurenkabinett in Mannheim zeigt schaurige Objekte. Dafür haben die Macher eine in Vergessenheit geratene Sammlung wiederbelebt.

Die junge Frau ist nackt, ihr Körper mit blutigen Striemen übersät. Mit angsterfüllten Augen blickt sie ihrem Peiniger entgegen, der eine Peitsche schwingt. Die Angst der Dame wird kein Ende finden: Sie ist eine Wachsfigur, kunstvoll geformt und auf ewig ihrem Peiniger ausgesetzt. Die Nackte ist eine von etwa 350 Figuren aus Zeitgeschichte, Popkultur und Politik, die vom 11. Mai an als „Panoptikum“ im Mannheimer Stadthaus gezeigt werden.

Mit „Unterhaltung und Nervenkitzel“ beschreibt Hannes Piechotta, Geschäftsführer des Panoptikums, die Folterkammer, den „dunklen“ Teil der Figurensammlung. Die ältesten Stücke stammen aus dem 19. Jahrhundert, einer Zeit, in der Menschen mittelalterliche Folterszenarien, berüchtigte Mörder und Kinderschänder aus nächster Nähe sehen wollten. Daran habe sich nicht viel geändert, meint Piechotta. Bis heute übten menschliche Abgründe eine besondere Faszination aus.

Gegründet wurde das erste Wachsfigurenkabinett auf deutschem Boden 1869 von den Brüdern Louis und Gustave Castan in Berlin. 1922 verdrängte die Begeisterung für das Bewegtbild das Interesse an den Wachskunstwerken - die skurrile Sammlung musste schließen. Erst 1972 ergänzte man die Sammlung um zeitgemäße Figuren und stellte sie am Kurfürstendamm aus. Ende der 90er Jahre wurde die Sammlung abermals ausgelagert und fast vergessen.

17 Jahre lang verstaubten die Figuren in einer Lagerhalle. Bis der aus Ketsch bei Mannheim stammende Piechotta, Hobbykünstler und Theaterenthusiast, vor wenigen Jahren auf den Katalog der Berliner Wachsfigurensammlung stieß und begeistert war. Gemeinsam mit seinem Bühnenkollegen Dieter Hillenbrand und der Hilfe zweier Banken erstand er die Sammlung - zu welchem Preis bleibt Piechottas Geheimnis. Nur soviel verrät er: „Wir haben das ganze Unternehmen ohne die Stadt Mannheim realisiert - die hatten keine Fantasie für die Sache.“

Das Panoptikum zeigt sie alle: Königsfamilien, Bettler, Generäle, Musiker, Präsidentenmörder. Besonders schaurig ist die Sammlung medizinischer Präparate im hintersten Teil der Ausstellung. Im Halbdunkel finden sich dort Schaukästen mit siamesischen Zwillingen, von Pest zerfressenen Gesichtern und Körperteilen von Leprakranken. Alles aus Wachs - versteht sich - dennoch nichts für schwache Nerven. „Wir wollen aber keine Freakshow zeigen“, betont Piechotta. Einige Stücke stammen aus der Berliner Charité. Über Jahrzehnte wurden sie als Lehrobjekte genutzt, klärten Ärzte und Bevölkerung über Krankheiten und Missbildungen auf.

Ein Kaufladen, eine Marktszene, ein Berliner Hinterhof - Ausschnitte aus dem bürgerlichen Leben sind ebenso vertreten wie eine nackte Prostituierte auf einem Samtkanapee. Eher grotesk wirken unterschiedliche Kopfmodelle in allen Hautfarben. „Die historischen Figuren sind politisch nicht korrekt“, sagt Piechotta. Sie seien Teil einer ethnologischen Sammlung aus dem 19. Jahrhundert. Damit die Besucher die Stücke richtig einordnen können, bieten die Veranstalter Führungen an.

Weniger düster sind die jüngeren Objekte der Ausstellung. Elvis Presley, der King of Rock'n'Roll, grinst Inge Meysel an. Im lichtdurchfluteten Bereich der Galerie tummeln sich Konrad Adenauer im Nadelstreifenanzug und Marlene Dietrich in Netzstrumpfhose. Noch lebende Prominenz ist in der Ausstellung die Ausnahme.

Die vorhandenen Figuren erhalten im Moment noch den letzten Schliff. „Bis zum 11. Mai ist alles fertig“, verspricht Piechotta. Dann öffnet sich die schaurig-charmante Wachswelt für Besucher.

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