Teneriffa, die Heimat der Wale

Nicht stören — nur beobachten. Reiseveranstalter denken um.

Langsam hebt sich eine Flosse aus dem Wasser, glänzend und schwarz. Dann verschwindet sie wieder. Ohne mehr verraten zu haben. Angestrengte Blicke auf den Ozean — nichts. Langsam setzt sich der Katamaran wieder in Bewegung, weiter hinaus auf den Atlantik. Etwa 40 Minuten von der Küste Teneriffas entfernt stoppt er erneut. Der Kapitän stellt den Motor ab, das Boot dümpelt irgendwo auf halber Strecke nach La Gomera. Es schaukelt mächtig auf den Wellen, Wasser klatscht gegen den Rumpf, Gischt spritzt durch die Netze. Nur ab und zu kommt die Sonne durch. Da! Sie sind sogar in großer Entfernung zu sehen: Pilotwale. „Mindestens fünf!“ ruft ein Passagier und zeigt nach Westen. „Die Stelle hier ist gut“, erklärt Marén Bökamp. „Viele Jungtiere, die neugierig sind und ganz nah ans Boot kommen. Wir können ihnen beim Spielen zuschauen.“

Seit vier Monaten arbeitet die 31-jährige Biologin ehrenamtlich für Buena Proa, der lokalen Forschungsorganisation. Unter dem Titel „Wa(h)lheimat“ steht der Schutz der Wale und Delfine vor der kanarischen Küste im Mittelpunkt. Beobachten ja, stören nein. „Wir stellen die Motoren ab und lassen die Tiere zu uns kommen, wenn sie es wollen. Wenn nicht, sehen wir keine“, sagt Meeresbiologin und Projektkoordinatorin Maria del Mar Cañado. Ein Ansatz, den der gemeinnützige Verein „Futouris“ unterstützen will. Gut für den einheimischen Verein: „Futouris“ setzt sich aus internationalen Unternehmen der Tourismusbranche zusammen. Große Reiseveranstalter wie die Tui sind an Bord. 2009 gegründet, hat sich der Verein mittlerweile weltweit in die unterschiedlichsten Umwelt- und Tierschutzprojekte eingeklinkt.

Die kanarische „Wa(h)lheimat“ fördert „Futouris“ seit 2010. Damit beschreitet das Umdenken der Verantwortlichen in der Tourismusindustrie ganz neue Wege. Es geht schon längst nicht mehr um Aufkleber in Hotelbadezimmern, die den Gast auf das tonnenweise Waschen der Handtücher hinweisen.

Der Leitsatz des Vereins ist die klare Erkenntnis: „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet.“ Wasser auf die Mühlen der Umweltschützer, zwingende Abkehr vom Eindringen des Menschen in den Lebensraum bedrohter Tiere. Zumindest an Bord gibt es nur so viel zu sehen, wie die Wale an diesem Tag zeigen wollen. Delfine lassen sich gar nicht erst blicken. „Wir fotografieren jeden Tag die Tiere, die hier auftauchen“, erzählt Marén.

Sie werden in eine Liste eingetragen, Bestandsaufnahme. „Manche können wir an ihren speziell geformten Rückenflossen erkennen. Denen geben wir dann auch Namen“, sagt die Wissenschaftlerin. Jeden Tag hinaus aufs Meer, da muss der Magen seefest sein. Bei der Crew kein Problem, die Gäste an Bord tun sich da schon schwerer.

Doch die Faszination siegt gegen aufkommende Übelkeit. Denn was sie hier erleben, ist nicht einfach nur eine Schiffstour für Touristen. Vielmehr ist jeder an Bord Teil des wissenschaftlichen Projekts, bekommt Informationen, kann selbst auf Entdeckungsreise gehen. Sie begleiten die Biologen bei ihrer Arbeit und lernen, dass es nicht um effektvolle Tierpräsentation wie in einem großen Zoo geht.

Eine Dreiergruppe Wale schwimmt ganz nah am Katamaran vorüber, einer dreht sich auf die Seite, ein anderer ändert kurz die Richtung. Innerhalb einer Stunde hat sich der Blick für das Schauspiel im Wasser geschärft.

Vom Meer aus sieht man die zugebaute Küste Teneriffas, die Bausünden und Bettenburgen — auch ihnen steht ein sukzessiver Wandel bevor.

Weiter westlich an der Küstenlinie entlang ist der Himmel grau, Regen hängt wie ein Schleier über den Klippen. Über dem Boot strahlt in diesem Moment die Sonne und zaubert ein Glitzern auf die krause Wasseroberfläche. Irgendwo dazwischen erhebt sich ein Regenbogen in zarten Farben — und an dessen Ende drei neugierige Wale.

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