Träume aus Beton und Styropor: Albanische Riviera

Sarandë (dpa/tmn) - Nicht erst seit der Lonely Planet Albanien zum Nummer-1-Ziel für 2011 erklärte, strömen mehr Urlauber an die Strände. Die Folgen sind unübersehbar: Hotels drängen sich an den schmalen Küstenstreifen.

Die albanische Riviera hat Dirk sich anders vorgestellt. „Von einsamen weißen Kiesstränden und idyllischen Fischerdörfchen keine Spur. Überall, wo es möglich ist, entstehen Hotelanlagen direkt am Wasser“, erzählt der Backpacker. Zusammen mit seiner Freundin war er der Reiseempfehlung des Lonely Planet gefolgt. Der Reiseführer empfiehlt in diesem Jahr Albanien als Reiseziel Nummer eins für Rucksacktouristen. Jetzt wollen die beiden nichts wie weg von der touristischen Küste ins - wie der Reiseführer verspricht - ursprünglichere Hinterland.

Seit 2008 haben sich die Touristenzahlen in Albanien beinahe verdoppelt. Laut dem Ministerium für Tourismus und Sport besuchten von Januar bis August 2011 gut zwei Millionen Menschen das Land. Vor allem Urlauber aus den Nachbarstaaten Kosovo, Mazedonien und Montenegro, aber auch Italiener und Griechen bevölkern in den Sommermonaten die schmalen Strandstreifen. Beinahe jeder Zentimeter der Küste zwischen Vlorë und Himarë ist mittlerweile mit klobigen Plattenbauten zugestellt.

In Sarandë im Süden Albaniens, nur wenige Kilometer von der griechischen Grenze entfernt, rotieren die Betonmischer rund um die Uhr. Jeden Tag scheint ein weiteres pastellfarbenes Feriendomizil aus Beton und Styropor fertiggestellt zu werden. Einst war Sarandë ein beschauliches Fischerdorf, jetzt leben rund 30 000 Menschen hier. In den Sommermonaten sind es locker dreimal so viele.

„Viele Hotels sind nie ausgebucht. Aber die Touristen werden schon noch kommen“, sagt ein Bauingenieur, der gerade eine Apartmentzeile mit Pool direkt am Wasser fertigstellt. Nur wenige hielten sich wie er an die Spielregeln: „Viele bauen einfach drauf los - ohne Genehmigung und ohne Bauplan.“

„Nicht überall kommen die Behörden hinterher, illegale Bauvorhaben rechtzeitig zu stoppen“, erzählt der Ingenieur. Doch wenn die Behörden Wind von einem illegalen Hotel bekommen, rückt das städtische Abrisskommando an. Die Folgen sind unübersehbar: Wie faule Zähne in einem gesunden Gebiss verschandeln unzählige Bauruinen die Ferienkulisse. Trotzdem wird munter weiter gebaut.

Etwas mehr als 100 Kilometer nördlich von Sarandë hat sich auch Avni entschieden, umzusatteln. 200 Jahre lebte seine Familie von der Landwirtschaft in Radhimë, einem von Olivenhainen umgebenen Bergdorf. Heute vermietet er im Sommer Zimmer an Touristen. Stolz zeigt der Mittdreißger sein mehrstöckiges Haus. „Alle Zimmer haben Fernseher und ein kleines Bad“, sagt Avni, der hier mit seiner Frau und deren Eltern lebt.

Das traditionelle Bauernhaus nebenan ist noch gut erhalten. „Die Touristen möchten gerne sehen, wie man hier früher auf dem Land gelebt hat“, erklärt Avnis Schwiegermutter. Interessierte Gäste führt sie durch die einfache Stube, in der sich das Familienleben abspielte. Zum Schlafen wurden einfach bunte Matratzen auf dem Boden ausgerollt, ein Holzkamin wärmte in den kühlen Wintermonaten. Im neuen Haus hat jeder ein eigenes Zimmer.

Für viele Reisende bleibt das Orikum nur ein kurzer Stopp auf dem Weg in den albanischen Süden. In den Sommermonaten befördern öffentliche Busse hunderte Sonnenhungrige an der Bucht vorbei. Bis auf mehr als 1000 Meter schlängelt sich die Straße in waghalsigen Serpentinen einen Gebirgspass hinauf und gibt den Blick frei auf den Golf von Gjipe und dessen schöne Buchten.

Hier versuchen einige junge Unternehmer zu retten, was zu retten ist. Tomi Gjikuria betreibt im dritten Jahr das Sea Turtle Camp, einen kleinen, alternativen Zeltplatz in Dhërmi. Unter Schatten spendenden Pinien schlafen die Gäste in einfachen Igluzelten, einer der schönsten Naturstrände Albaniens liegt gleich nebenan. Bis zum nächsten Laden sind es einige Kilometer Fußmarsch.

Auch Greg Deregowski setzt auf Tourismus: Zusammen mit einem kleinen Team hat der gebürtige Pole, der viele Jahre in Deutschland gelebt hat, eine Tauchschule eröffnet. „Zehn perfekt erhaltene Wracks, Marinehavarie und gesunkene Frachter, liegen in einer Tauchtiefe von fünf bis zehn Metern nicht weit von der Küste entfernt“, schwärmt er.

Der perfekte Standort für die Basisstation war schnell gefunden: „In Sarandë gibt es ausreichend Hotels. Aber auch arbeitslose Fischer, die ich anheuern kann, um die Taucher zu den Spots zu bringen.“ Doch der Unterwassersport sei erst der Anfang: Mountainbiking, Hiking und Esel-Trekking sollen folgen. Greg hofft, dass sein Konzept aufgehen wird. „Ich mache es schließlich auf die deutsche Tour!“

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