Verblasste Perle: Odessa will wieder glänzen

Odessa (dpa/tmn) - Auf den Boulevards Odessas glaubte Puschkin einst, ganz Europa zu atmen. Heute riecht es in den verfallenen Bürgerhäusern nach Urin und in den Luxusläden nach schnellem Geld. Doch Odessa ist entschlossen, wieder zur Perle des Schwarzen Meeres zu werden.

Odessa war Jahrzehnte vergessen, doch nun beginnen sich Urlauber im Westen wieder an die einstige Perle am Schwarzen Meer zu erinnern. Vor allem Kreuzfahrtschiffe laufen in der ukrainischen Hafenstadt ein - meist direkt am weltbekannten Wahrzeichen, der Potemkinschen Treppe. Ihre 192 Stufen scheinen endlos nach oben anzusteigen.

Odessa ist eine moderne Stadt: Zarin Katharina die Große ließ sie 1794 anlegen, um für ihre Marine einen Handelsplatz und Hafen zu schaffen. Sie hatte diesen Abschnitt der Schwarzmeerküste zwischen Donau und Don von den Türken erobert. Im Hinterland liegt fruchtbares Ackerland, seine Erträge machten Odessa in wenigen Jahrzehnten reich. Beim Bummel durch die Straßen bekommt man eine Ahnung von der einst glanzvollen Zeit.

„Unser Stolz ist das Opernhaus“, erklärt die Jura-Studentin Galina Maslova, die in ihrer Freizeit als Touristenführerin arbeitet. „Es wurde nach acht Jahren Renovierung 2007 wieder eröffnet.“ Das pompöse Opernhaus ließen sich die Stadtväter Odessas 1887 nach Plänen des renommierten Wiener Architektenbüros Fellner und Helmer bauen, das auch die Entwürfe für das Schauspielhaus in Hamburg lieferte. Die Sänger kamen natürlich aus Italien. Odessa hatte sich schon kurz nach seiner Gründung nach Europa orientiert.

Heute habe die Stadt viel aufzuholen, sagt Ilja Kosyrin, der ebenfalls Besucher durch die Stadt führt. „Die Sanierung des Zentrums kostet Milliarden.“ Ein Blick in Treppenhäuser ehemaliger Bürgerhäuser abseits der Hauptstraßen bestätigt das. Putz bröckelt von den Wänden, im Flur stinkt es nach Urin. Die Menschen hier sind weit entfernt vom Luxus der Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg.

Zumindest die Fassade glänzt bisweilen noch. Breite, baumbestandene Boulevards durchziehen das schachbrettartig angelegte Odessa. Den historischen Kern prägten dieselben Baustile wie in Wien oder Paris. Eindrucksvolle Fassaden zieren die mehrstöckigen Häuser aus dem 19. Jahrhundert. In den Läden darin wird beinahe die gesamte Palette westlicher Luxusmarken angeboten.

„Wir einfachen Odessiten können hier nicht kaufen“, sagt Kosyrin, „Kunden sind wohlhabende Badegäste aus Russland und anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion“. Er zeigt auf einen Geländewagen, in den eine sehr junge Blondine und ein reifer, kräftiger Mann im Designer-Joggingdress klettern.

Kilometerlange Strände vor der Stadt und viele Sonnentage machen Odessa weiter zu einem beliebten Urlaubsort für Osteuropäer. Reiche haben sich hier Ferienhäuser zugelegt. Doch längst schätzen auch Westeuropäer die „Goldene Küste“ der Ukraine wegen der wilden Partys. „Es kommen auch viele Sextouristen“, erklärt Kosyrin. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte für Odessa die höchste Rate an HIV-Infektionen in Europa.

Galina Maslova will über das Thema nicht reden, sie schämt sich. Sie zeigt lieber die verblassten Schönheiten der einst mondänen Stadt, von der Russlands Nationaldichter Alexander Puschkin sagte: „Hier atmet man ganz Europa.“ Weltoffen geben sich die Odessiten wieder und hoffen auf eine neue Zukunft. „Deshalb renovieren wir auch an jeder Ecke“, sagt Maslova.

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