Vietnam: Kokos-Bonbons im Mekong Delta

Handgemachte Bonbons und Boote als wichtigste Verkehrsmittel: Der Süden des Landes fasziniert.

Düsseldorf. Hauchdünn ist das Reispapier, das Ly Hong Van um ein hellbraunes Kokosbonbon wickelt. Praktisch, dann klebt das flache Stück Karamell nicht mehr beim Anfassen. „Das Papier kann man mitessen“, erklärt sie den Besuchern aus Deutschland. Anja schaut skeptisch.

Erst als Reiseleiter Nguyen Van Manh bestätigend nickt, nimmt sie ein Bonbon mitsamt der transparenten Umwicklung in den Mund. „Lecker“, murmelt sie zufrieden, während sie die zähe aromatische Masse kaut. Da hat sie das Reispapier schon vergessen.

Unterdessen wickelt Hong Van als zweite Schicht normales bedrucktes Papier um die Süßigkeiten. Auf diesem ist ihr Name zu lesen. Die 43-Jährige ist Inhaberin der Bonbon-Manufaktur in Tan Thach. Das ist ein Dorf mit etwa 200 Häusern auf einer großen Insel im Mekong Delta. Es gehört zur Provinz Ben Tre.

Das Mekong Delta ist eine fruchtbare Landschaft mit Reisfeldern, Obst- und Palmenplantagen, die von dem großen Strom mit seinen neun Hauptarmen, den weit verästelten Nebenarmen und unzähligen kleinen Kanälen durchzogen ist. Boote sind hier das Hauptverkehrsmittel.

Voll beladen mit Kokosnüssen, Bananen, Melonen, Reis oder Palmenblättern für die Hausdächer schippern die traditionellen, am Bug bunt angemalten Frachtboote über die breiten Wasserstraßen.

Für eine Weile arbeitet die Chefin mit an dem großen Tisch, an dem vier Mitarbeiterinnen aus dem Dorf die süßen Produkte routiniert verpacken. Doch dann klingelt ihr Smartphone und Hong Van springt auf. Im Hintergrund der kleinen Halle dampft es leicht. Auf einem Ofen köchelt Kokosmilch mit Zucker vor sich hin.

Je nach Bonbonsorte kommen noch Kakao oder Erdnüsse hinzu. Süßlicher Duft weht aus der großen Metallschüssel und mischt sich mit dem herben Geruch des offenen Feuers. Eine kleine Rührmaschine hält die Masse in Bewegung, bis sie sich zu zähflüssigem Karamell verwandelt. „Die Milch von 240 Kokosnüssen verarbeiten wir hier jeden Tag“, erklärt die Inhaberin. Vor mehr als 20 Jahren hat sie die Manufaktur gegründet. Mittlerweile führen ihr Ehemann und zwei Schwestern noch drei weitere Filialen im Mekong Delta.

An der offenen Seite der Halle sind kleinere Tische platziert. Dort nehmen die Besucher Platz und genießen grünen Tee mit Honig, der schon bereitsteht. In der schwülen Luft ist eine Erfrischung willkommen. Denn schon früh am Morgen ist die kleine Gruppe in Saigon losgefahren.

Die pulsierende Metropole in Südvietnam heißt offiziell Ho-Chi-Minh-Stadt, doch im alltäglichen Sprachgebrauch benutzt niemand diesen langen Namen zu Ehren des einstigen Revolutionsführers. Von Saigon aus ist in etwa anderthalb Stunden Fahrt die Stadt My Tho zu erreichen, die am nördlichsten Nebenfluss des Mekong-Stromes liegt. Von dort startet das Ausflugsboot zu der Tour durch die Wasserlandschaft.

Auf dem Boot sind die Stühle aus Bambusrohren. Der Motor knattert, und schmatzend schwappen kleine Wellen an den Bug. Das Wasser hat eine Farbe wie dünner Milchkaffee. „In einem Kubikmeter Wasser sind 600 Gramm Schlamm drin”, weiß Reiseleiter Manh. Er spricht fließend Deutsch, denn er hat zu DDR-Zeiten in Chemnitz studiert. Damals, als die Stadt in Sachsen noch Karl-Marx-Stadt hieß.

Wälder aus Mangroven und Palmen säumen die Ufer. Kräuselige Wasserhyazinthen sammeln sich davor. Büschelweise schaukeln sie auch mitten im Wasser. Wer zum ersten Mal hier ist, kann nicht unterscheiden, was Insel und was Festland ist. Überall führen kleine Kanäle in das sattgrüne Dickicht hinein.

Um auf diesen kleinsten Wasserstraßen zu fahren, wechselt die Besuchergruppe in schmale Ruderboote. In dem ersten hockt eine Frau an der Bootsspitze. Sie ist barfuß und trägt den typischen spitz zulaufenden Strohhut. Ein anderer sitzt hinten im Boot. Ruhig und konzentriert rudern die beiden durch die schmalen Kanäle. Palmenblätter streifen die Köpfe der Insassen.

Immer wieder ragen kleine Anlegestellen aus dem trüben Wasser. Schmale Fußwege führen zu Häusern, deren Ausmaße im üppigen Grün nicht genau auszumachen sind. Die Wege führen vorbei an Bananenstauden und dürren, aber dicht mit Früchten behangenen Papaya-Bäumen.

Ob sich die Dorfbewohner manchmal wünschen, in einer großen Stadt zu leben? Die Bonbon-Produzentin fährt etwa alle zwei Monate für Erledigungen nach Saigon. Außerdem studiert ihre 21-jährige Tochter dort. Am Abend sei sie immer froh, wieder zurückzukommen, erklärt Hong Van lächelnd. „Das ist mir zu hektisch in der Stadt. Wir gehören hier direkt ans Wasser“, sagt sie, während sie frische Kokosmilch in die große Rührschüssel gießt.

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