Wangerooge: 150 steile Stufen zum Eheglück

Von „Ja-Sagern“ im Leuchtturm und Miss Germany in den Dünen.

Düsseldorf. „Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt.“ Mit diesem Spruch empfängt Wangerooge seine Gäste nach der 45-minütigen Überfahrt von Harlesiel am Anleger im Westen der Insel.

Während das Gepäck der Reisenden aus- und umgeladen wird, hat man tatsächlich genügend Muße, das eher spartanische Inselbähnle zu besteigen, das die Nordsee-Urlauber zum historischen Wangerooger Bahnhof bringt. In gemächlichem Tempo durch die Salzwiesen, auf denen die brütenden Vögel sich nicht stören lassen. Sie sind daran gewöhnt. Ähnlich wie die Robben auf der Seehundbank, die genau wissen, dass ihnen von Schiff und Bahn ebenso wenig Gefahr droht wie von Passagieren.

Die östlichste der sieben ostfriesischen Inseln, die übrigens als Einzige nicht zu Ostfriesland gehört, erfreute sich mit 907 400 Übernachtungen im Jahr 2011 steigender Beliebtheit, ist autofrei und mit einem langen Sandstrand für Familien ein ebenso gefragtes Reiseziel wie für Singles und Ehepaare nahezu jeden Alters.

Apropos Ehepaare: Die Zahl derer, die sich trauen, sich auf Wangerooge, genauer gesagt im alten Leuchtturm, trauen zu lassen, wächst von Jahr zu Jahr. Um in das zum Standesamt umfunktionierte, liebevoll restaurierte Turmzimmer zu kommen, müssen 150 Stufen erklommen werden. Eine Mühe, die sich Braut und Bräutigam offensichtlich gern machen.

Der alte Leuchtturm liegt direkt neben dem ehrwürdigen Bahnhof an der Zedeliusstraße, der „Prachtavenue“ von Wangerooge. Mit vielen kleinen vom Inhaber geführten Geschäften, einladenden Gaststätten und urigen Kneipen. Sie mündet an der attraktiven Strandpromenade, in deren Mittelpunkt das „Café Pudding“ liegt — das war Ende des Zweiten Weltkriegs noch ein Bunker, der aber schon vor Jahrzehnten erfolgreich „entmilitarisiert“ worden ist.

Ähnlich kreativ wie der längst verblichene Bäckermeister Heinrich Folkerts, der aus dem Bunker ein erstklassiges Restaurant machte, präsentieren sich viele der Inselbewohner (Insulaner dürfen sich nur die auf „W‘ooge“ geborenen Bürger nennen).

Da rief der heute 79 Jahre alte Heinz Kipp vor drei Jahrzehnten die Deutsche Küstenwache ins Leben, die aus der Luft darauf achtet, dass gewissenlose Kapitäne auf hoher See kein Altöl ablassen oder die Tanks ihrer Schiffe mit Meerwasser spülen.

Da gibt es mit Klaus Brüggerhoff einen Schulmeister, der in den vergangenen Jahren zu diversen Jubiläen die Inselrevue, das Wangerooge-Musical und 2012 ein „Shanty-Musical“ komponiert und inszeniert hat. Dazu ist er auch Leiter der „Wangeroogers“, einem aus bärtigen, rauen Gesellen bestehenden Shanty-Chors. Der Gospelchor, die Volkstanzgruppe, die trommelnden „Wangoo Diptams“, die auch seit vier Jahren zum Himmelfahrtstag im idyllischen Rosengarten im Herzen der Insel zum Gelingen des „Friesen-Woodstock“ beitragen.

Horst Klemmer, Oldenburger Veranstalter der Miss-Germany-Wahlen und Präsident des Wangerooger Tennisclubs, lädt alljährlich zum sportlich anspruchsvollen Tennisturnier auf die drei Hartplätze in den Dünen ein. Und Tradition hat es, dass die amtierende Miss Germany den Siegern Bussis links und rechts auf die Wangen haucht.

Weniger Glanz und Glamour verbreiten der katholische Pfarrer Kurt Weigel und sein protestantischer Amtsbruder Günter Raschen, deren „Singen am Feuer“ (Pfarrer Kurt Weigel) und das „Blaue Kloster“ (Pastor Günter Raschen) aber auch für viele Gäste und ihre Familien Grund sind, ihren Urlaub auf der nach Baltrum kleinsten Insel (8,5 Kilometer lang und 2,2 Kilometer breit) zu verbringen.

Sand, Strand, die vielen Naturschönheiten und die Nordsee sind natürlich die Hauptanziehungspunkte für die „Festländer“. In der Hauptsaison vermeldet die Strandkorbvermietung oft, dass sämtliche 1300 Körbe ausgebucht sind. 1300 — das ist auch die vom Standesamt genannte Einwohnerzahl von Wangerooge, die sich während der besten Reisezeit um noch einmal 300 Saisonkräfte erhöht.

Kurverwaltung und Insulaner wollen, dass es den Urlaubern an nichts fehlt und die Inschrift am Bahnhof „Kehre wieder“ als herzliche Einladung verstanden wird. Wer im Herbst wiederkehren will, für den hat Christian Pollmann, der Leiter des Wangerooger Verkehrsvereins, eine herbstliche Herausforderung ausgetüftelt: Das „Großherzoglich Oldenburgische Hilfsleuchtturmwärter-Patent“, das vom intellektuellen Anspruch etwa bei Loriots „Jodeldiplom“ anzusiedeln ist.

Da hat man bei bestandener Prüfung so richtig „was Eigenes“ — zumindest auf Wangerooge.

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