Weinlese an der Mosel: Erst pflücken, dann trinken

Die Wochen der Weinlese bieten auch die schönste Zeit zum Wandern und Genießen.

Düsseldorf. Wie kommt der bayerische Löwe ins Wappen von Mülheim an der Mosel? Das verblüfft jeden, der die aufgerichtete blaue Raubkatze mit roter ausgestreckter Zunge und goldenen Krallen im kleinen Weindorf mit knapp 1000 Einwohnern wahrnimmt.

Tatsächlich gehörte diese Ecke von Rheinland-Pfalz einmal zu Bayern. Aber nicht die Pfälzer, sondern die Bajuwaren haben das Wappentier 1835 abgekupfert - farblich sowie stilistisch modifiziert und ihm eine Krone aufgesetzt. Die Mülheimer haben sich mit einem kleinen Attribut unverwechselbar gemacht: Ihr Löwe hält ein gelbes Mühlrad in den Krallen.

Als Standort für ein paar entspannte Tage lohnt das Dorf inmitten von Weinbergen, Wiesen und Wäldern allemal. Besonders jetzt im Herbst zur Weinlese. Es liegt weit genug weg vom Touristenrummel der Mosel-Metropole Bernkastel-Kues. Aber auch nahe genug, um die Sehenswürdigkeiten der Gegend zu erwandern.

Wer etwa im Weinromantik-Hotel Richtershof Quartier nimmt, kann sich geführten Wanderungen mit zünftiger Winzervesper anschließen oder sich ein Fahrrad ausleihen.

Die Touren führen entlang der Mosel oder sportlich über Weinbergswege bis zum Hunsrück und zur Eifel. Berühmte Weinberge wie der Bernkasteler Doctor befinden sich nur wenige Kilometer entfernt und sind besonders für Freunde eines guten deutschen Tropfens ein interessantes Ziel.

Stetig ansteigend winden sich die Wege durch bunte Reben nach oben, bis endlich Bernkastel-Kues zu Füßen liegt. Die grandiose Aussicht auf die von der Mosel getrennte Doppelstadt lädt zum Verweilen ein. Ein Plätzchen für ein Picknick mit Panorama-Blick findet sich am Wegesrand.

Die Ruhe hier mitten im Wingert stört nur hin und wieder ein mit Trauben beladener Traktor oder andere landwirtschaftliche Fahrzeuge. Wenn das Wetter mitspielt, können Wanderer beobachten, wie beschwerlich die Lese per Hand am Steilhang doch ist.

So mancher ambitionierte Weinfreund wird sich überlegen, ob es gerade hier an den steilsten Weingärten Deutschlands sein muss, seine Eignung zum Winzer zu testen. Vielerorts gibt es Angebote zur Mitarbeit als Erntehelfer.

Sagen ranken sich um den Doctor-Weinberg, aber auch knallharte Fakten. Demnach soll der Trierer Erzbischof und Kurfürst Bohemund II. während eines Aufenthalts in der oberhalb von Bernkastel gelegenen Burg Landshut mit dem guten Tropfen aus der Steillage von einer schweren Krankheit geheilt worden sein. Der Name Doctor-Berg wirkte jedenfalls so nachhaltig, dass König Edward VII. von Großbritannien diesen tatsächlich als Medizin trank.

Unbestritten ist die hervorragende Qualität der Weine, besonders aufgrund der Südwestlage und einer Hangneigung zwischen 35 und 45 Grad, die eine ganztägige optimale Sonneneinstrahlung ermöglicht.

Eine derart begnadete Lage war Geheimrat Julius Wegeler, der bereits ein Weingut im Rheingau besaß, im Jahr 1900 exakt 100 Gold-Mark pro Weinstock wert. Heute wären das 1000 Euro, insgesamt 6,6 Millionen Euro für die 100 Quadratmeter kleine Parzelle - der teuerste Kaufpreis, der in Deutschland jemals für Rebenland bezahlt wurde.

Die Investition hat sich gelohnt. Bereits Adenauer, Eisenhower und Thomas Manns Felix Krull goutierten die Weinlegende ebenso wie heute internationale Kenner und Kritiker, angeführt von Michael Broadbent, legendäre Weinnase beim Auktionshaus Christie’s in London. Der amerikanische "Wine Spectator" gab der Wegeler Riesling Trockenbeerenauslese des Jahrgangs 2007 aus dem Doctorberg 98 Punkte (von maximal 100).

Wer das berühmte Mosel-Tröpfchen gleich direkt vor Ort im Gutshaus Bernkastel probieren möchte, muss allerdings vorher einen Termin vereinbaren. Aber der Weg zurück in den Ort und über die Moselbrücke nach Kues und am Bahnhof gleich links lohnt schon allein wegen des historischen Kelterhauses.

Es wurde 1903 nach neuesten Erkenntnissen des Weinbaus errichtet. Die schonende Traubenverarbeitung kommt dank geschickter Ausnutzung des Gefälles ohne Pumpen aus. "Sie können hier einen Film drehen, der um die Jahrhundertwende 1900 spielt", sagt das heutige Wegeler-Familienoberhaupt, Geschäftsführer Tom Drieseberg.

Natürlich ist der Doctor auch auf jeder guten Weinkarte in der Gegend zu finden. Neben Wegeler sind noch die Weingüter Thanisch und Reichsgraf von Kesselstatt im Doctorberg aktiv.

Im komfortablen Weinromantik-Hotel Richtershof in Mülheim muss sich der Doctor auf der umfangreichen Weinkarte mit den anderen großen Namen der Mosel messen: Wehlener Sonnenuhr, Ürziger Würzgarten, Trittenheimer Apotheke, Brauneberger Juffer oder Mülheimer Sonnenlay, der Zeppelinwein, der in den 20er und 30er Jahren auf den Transatlantikfahrten des Luftschiffs kredenzt wurde.

Das Hotel mit 43 Zimmern im historischen Gebäude-Ensemble des ehemaligen Weinguts Richtershof besitzt natürlich auch einen alten Säulen- und Gewölbekeller. Dort kann es weitergehen mit dem Probieren.

Im Forum Vinum präsentieren zehn heimische Winzer ihre Spitzentropfen, darunter Jörg Bauer aus Mülheim, dessen Riesling-Jahrgangssekt dort im Richtershof-Keller reift - klasssisch nach Champagner-Methode auf dem Rüttelpult.

Natürlich dreht sich auch in der regionalen Küche alles um den Wein. Mülheimer Rieslingsuppe, Sauerampfer-Mousse mit Flusskrebsen, Carpaccio vom Zander in Riesling-Marinade, Wildkräutersalate mit Traubenkernöl-Vinaigrette oder Gaumenschmeichler wie gelierter Riesling mit Himbeeren - dies alles sind sind vielversprechende Küchen-Klassiker, die auf der umfangreichen Karte zu finden sind.

Die im Hotel angebotene "Vinotherapie" macht neugierig. Keine Angst, nicht etwa dekadent einfach im Champus oder Riesling baden. Das gesundheitsfördernde Traubenkernöl steht im Zentrum der Behandlung.

Polyphenole, die in den Traubenkernen stecken, stärken die Zellen und halten die Hautalterung auf - sagen die Experten. Traubenkernpeeling, Relax-Ganzkörpermassage mit warmen Traubenkernöl, Traubenkernölbad, Vino-Stempelmassage gegen Muskelverspannungen - damit lässt sich problemlos ein ganzer Tag füllen.

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