Wellblechhütte statt Tafelberg - Auf Township-Tour in Kapstadt

Kapstadt (dpa) - Die einen nennen es „Armutsporno“, andere sehen in den Touren durch südafrikanische Armensiedlungen einen Beitrag zur Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß. Fest steht: Immer mehr Touristen wollen einen Eindruck vom Leben in den Townships bekommen.

Wellblechhütte statt Tafelberg - Auf Township-Tour in Kapstadt
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Der imposant aufragende Tafelberg, langgezogene Weinberge und atemberaubende Aussichten auf den Ozean - Kapstadt bietet Touristen so einiges. Doch zunehmend interessieren sich die Besucher auch für die andere Seite der zweitgrößten Stadt Südafrikas. In den vergangenen Jahren sind Dutzende Reiseveranstalter entstanden, die ausländischen Touristen sogenannte „Township Tours“ anbieten. Sie bringen die Besucher in jene städtischen Randgebiete, wo die schwarze Bevölkerung bis zum Ende der Apartheid, der institutionalisierten Trennung von Schwarzen und Weißen, bis vor 20 Jahren leben musste.

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Das Leben in den Armensiedlungen ist weit weg von den exklusiven Boutiquen und den hippen Cafés im Zentrum Kapstadts. Nur wenige weiße Südafrikaner haben jemals einen Fuß in eine Township gesetzt. Und obwohl es ähnliche Angebote bereits in den brasilianischen Favelas oder den kenianischen Slums gibt, gehen die Meinungen über diese Art von Touren noch immer weit auseinander. Kritiker sprechen von „Armutsporno“ - eine Gelegenheit für Touristen, das Leben von armen Südafrikanern durch die Scheiben eines Reisebusses zu begaffen und Schnappschüsse von barfüßigen Kindern zu machen, die vor dem Hintergrund selbstgezimmerter Hütten Ball spielen.

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„Das ist der Grund, warum wir Dinge in unserem Angebot verändert haben“, sagt Nathi, der aus Langa stammt, einer der ältesten Townships Südafrikas. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner bietet er deshalb auch geführte Rundgänge zu Fuß an. „Wir laufen und reden mit den Menschen. Wir fahren nicht einfach mit einem Auto durch und machen ein paar Bilder“, sagt er.

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Diese Art des Tourismus nutze den Townships, etwa wenn Arbeitsplätze entstünden, meint Nathi. Besucher kauften afrikanische Handwerkskunst von den Einheimischen oder übernachteten in den Bed&Breakfast-Unterkünften, die vor Ort entstünden. Zudem förderten die Touren die Integration und würden die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen verbessern, glaubt er. „Wenn in den 1980er Jahren Weiße in den Townships auftauchten, waren das entweder Polizisten oder Soldaten“, sagt Nathi. Heute wüssten schwarze Kinder, dass sie sich nicht fürchten müssten, wenn weiße Besucher kämen. „Heutzutage sehen wir, das mehr und mehr weiße Südafrikaner diese Touren mitmachen“, ergänzt sein Geschäftspartner Chipo.

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In Kapstadt, das eine der höchsten Kriminalitätsraten weltweit hat, leben viele weiße Südafrikaner sowie die wachsende schwarze Mittelschicht in exklusiven Wohngegenden, geschützt durch hohe Mauern und Alarmanlagen. Die weißen Südafrikaner seien geschockt über die Situation in den Armenvierteln, hat Chipo festgestellt. „Viel interessanter ist aber, dass sie davon geschockt sind, wie freundlich die Schwarzen in den Townships zu ihnen sind, schlussendlich ist es also sehr positiv.“

In Langa wird der Besucher unter anderem zu einer Töpferei geführt, vorbei an Friseursalons in Wellblechhütten und spielenden Kindern. Vor einem Shebeen, einer typischen Kneipe, ist eine Gruppe Männer in eine Partie Domino vertieft. Frauen in bunten afrikanischen Röcken kochen derweil über Holzfeuern blutige Schafsköpfe, eine Delikatesse in der Xhosa-Küche.

Der Shebeen-Betreiber Lennox sagt, er empfinde die Besuchergruppen nicht als Eindringlinge. „Es ist eine gute Idee, dass Ihr kommt und Euch das anseht“, sagt er, bevor er zur Belustigung seiner Stammgäste um die Hand einer amerikanischen Touristin anhält und dieser 100 Kühe für ihr Ja-Wort offeriert.

Sie habe im Vorfeld Zweifel wegen des Besuchs in einer Township gehabt, sagt die 27-jährige Abbie aus Texas. Doch die Tour habe ihr Bild von Südafrika abgerundet, findet sie. Dass gleichwohl nicht alle Township-Bewohner begeistert über die Touristen sind, zeigt sich, als eine Besucherin einen kleinen Jungen beim Fußballspielen fotografieren will. Finster blickt der Kleine die Frau an und zeigt ihr den Mittelfinger.

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