Wer hat dem Schluchsee das Wasser gestohlen?

Schluchsee (dpa) - Im Sommer ist der Schluchsee ein beliebtes Ziel für Touristen und Tagesgäste. Doch der zunehmende Energiehunger in der Bevölkerung lässt auch außerhalb der Badesaison Gäste an den See kommen - und staunen.

Wer hat dem Schluchsee das Wasser gestohlen?
Foto: dpa

Es ist ein bizarres Bild. Wo im Sommer Touristen auf Tretbooten oder planschende Badegäste ihren Spaß haben, spazieren nun neugierige Menschen über Geröll oder klettern auf Felsbrocken. Wo mal Wasser war, ist jetzt Sand. Manche zücken ihren Fotoapparat, andere trauen ihren Augen kaum. Kinder fragen staunend ihre Eltern, wer das Wasser des größten Sees im Schwarzwald geklaut hat.

Darüber kann Peter Steinbeck nur herzlich lachen. Sein Arbeitgeber ist schuld am niedrigen Wasserstand. Denn die Schluchseewerk AG aus dem badischen Laufenburg nutzt den Stausee zur Energiegewinnung. Strom produziert werden kann nämlich nur, wenn dem See Wasser abgezapft wird. „Vor allem im Winter wird tendenziell mehr Strom benötigt“, erklärt Steinbeck. Und weil in den Wintermonaten beispielsweise weniger Sonnenenergie gewonnen werden kann, müsse man eben Wasser abzapfen. Steinbeck spricht deshalb vom Energiesee.

Durch Rohre und Stollen unter der Erde wird das Seewasser ins Tal geleitet. In jeder Sekunde bis zu 80 000 Liter. Dabei passiert es drei Kraftwerke, in denen das Wasser durch Turbinen schießt. Rund 30 000 Haushalte werden so mit Strom versorgt. Wenn andere Kraftwerke gerade viel Strom ins Netz speisen und dieser nicht gebraucht wird, wird Wasser zurück in den See gepumpt. „Das passiert meistens nachts oder an Wochenenden“, sagt Steinbeck. Pro Sekunde gut 40 000 Liter.

Im Schluchsee war zuletzt so wenig Wasser, dass sogar ein altes Schulgebäude wieder auftauchte. „Zumindest die Grundmauern hat man gesehen“, sagt Andreas Schmidt, der beim Schluchseewerk als Vermessungsingenieur arbeitet. Die Dorfschule des Ortsteils Aha musste 1931 den Fluten weichen, als der See aufgestaut wurde.

Daneben versank noch ein alter Bauernhof. „Eine Kapelle hat man damals extra abgebaut und an höherer Stelle wieder aufgebaut“, sagt Schmidt. Normalerweise reicht das Wasser auf einer Höhe von 930 Metern über Normalnull an die Ufer. Dann ist das Gewässer mit rund 100 Millionen Kubikmeter Wasser gefüllt. Derzeit liegt der Pegelstand gut zehn Meter darunter. Doch der See war auch schon so gut wie leer.

Das war vor mehr als 30 Jahren, als das Wasser nahezu komplett abgelassen wurde. „Damals wegen Wartungsarbeiten an der Staumauer“, sagt Schmidt. Auch die riesigen Auslaufrohre mussten kontrolliert werden. Das freigelegte Seebett glich einer Mondlandschaft. Schlamm, Algen und Geröll überall.

Zehntausende Menschen pilgerten im September 1983 in den Hochschwarzwald, um sich das Spektakel anzusehen. Fotos aus dieser Zeit zeigen Menschen, die durch das Seebett spazieren oder gesunkene Kajaks betrachten.

Schluchsees Bürgermeister Jürgen Kaiser (parteilos) sieht den neuen Pegelstand pragmatisch: „Das wenige Wasser bringt uns den ein oder anderen Gast in die Gemeinde.“

Des Dorffriedens wegen hat sich das Schluchseewerk auf die Flagge geschrieben, bis Pfingsten den See wieder aufzufüllen. Schließlich lebt die Gemeinde nicht vom niedrigen Pegelstand des Sees. Nach und nach wird nun deswegen Wasser aus dem Rhein hoch in den See gepumpt. Gebirgsbäche voll mit Schmelzwasser helfen dabei. Denn in einigen Wochen sollen sich im Wasser wieder Badegäste tummeln.

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