Nordsee-Insel Borkum: Kühles Pils oder steifer Grog?

Strandsauna und friesische Spezialitäten. Die Nordsee-Insel lockt mit „coolen“ Reizen.

Borkum. Borkum im Frühjahr bedeutet ein ständiges Wechselspiel zwischen Frostbeulen und Sonnenbrand, zwischen Stirnband und Oben-ohne, zwischen T-Shirt und Friesennerz, zwischen kühlem Pils und steifem Grog.

Dabei bewirkt der nahe Golfstrom auf der beliebten deutschen Ferieninsel ein mit Jod angereichertes mildes und zugleich pollenarmes Hochseeklima, in dem sich besonders Allergiker wohlfühlen. An trockenen Tagen sorgen die Böen für ein feines Sand-Peeling.

Mit dem Wind wechseln ständig auch die Temperaturen, so dass neben Wandern, Radfahren und Drachen steigen lassen das An- und Ablegen von Bekleidungsschichten zu den häufigsten Aktivitäten der Inselbesucher gehört. In der Tat sind manche Urlauber auf der westlichsten und zugleich größten der sieben Ostfriesischen Inseln dieser Tage nur schwer von den Robben und Seehunden zu unterscheiden, die sich faul auf jenen Sandbänken räkeln, die bei Ebbe bequem zu Fuß zu erreichen sind.

Die Bretterbuden wie die Sanddornbude und der Strandkiosk Gropengießer am Nordstrand erweisen sich gerade bei stürmischer See als Hort der Gemütlichkeit. Mit ihrer einfachen Bestuhlung und den Plexiglasscheiben trotzen sie in der noch zögerlichen Frühjahrssonne den Böen, während schwarzer Friesentee mit Kluntjes und der obligatorische Milchreis mit Zimt und Zucker sowie die beliebte Dicke Milch mit Schwarzbrot, Zimt und Zucker die Lebensgeister nach einem gelegentlich fröstelnd machenden Strandspaziergang zurückbringen.

Da stört es wenig, dass Tische und Stühle mit einer feinen Panade aus Sand überzogen sind. Selbst sonst so elegante Damen blicken entspannt auf das, was einmal als Frisur bezeichnet werden konnte.

Wohl wissend, dass alle Frauen nach einem kurzen Spaziergang während der bisweilen sturmgepeitschten Frühjahrstage auf der Nordseeinsel eine ähnlich zersauste Haarpracht aufweisen. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum das 36 Quadratkilometer große Nordseeheilbad die gefühlt größte Friseurdichte Deutschlands besitzt.

„Mit seinen 20 Kilometern Sandstrand ist Borkum ein Traum — schöner als jede Karibikinsel“, schwärmt Marc Bantke. Der Betreiber des Hotel Rummeni muss es wissen. Schließlich verbringt er jeden Winter einige Wochen in der Karibik. „Gerade die endlosen Weiten zwischen dem Nordstrand und Seeblick sind grandios. Nur Palmen fehlen hier zum perfekten Inselglück“, schwärmt Bantke über seine Heimat, die besonders Naturliebhabern vieles bietet.

Mit dem Wechselspiel von Ebbe und Flut wird das Wasser rund um Borkum zeitweise zum Land. Das als Weltnaturerbe unter dem Schutz der Unesco stehende Wattenmeer entpuppt sich dann als Tischleindeckdich für ganze Heerscharen von Vögeln.

Derweil entdecken Radfahrer bei Touren durch die Landschaftsschutzgebiete des Ostlands schnell, dass dieser Teil Ostfrieslands nicht flach wie eine Flunder ist, sondern es parallel zu den Dünen immer wieder kleinere und größere Hügel hoch und runter geht. Doch auch sonst hat die 5800-Seelen-Insel inmitten der Nordsee einiges zu bieten.

Um sich einen ersten Überblick über Borkum zu verschaffen, lohnt der Aufstieg auf den Neuen Leuchtturm. Dieser ist nicht nur für Seefahrer ein wichtiger Orientierungspunkt, sondern mit seinen gut 60 Metern Höhe das weithin sichtbare Wahrzeichen und höchste Gebäude der Insel.

Der Gang durch das ehemalige Fischerdorf mit seinen verwinkelten Gassen und verschachtelten Häuserzeilen wird unweigerlich zu einem kleinen Ostfriesisch-Kurs für Anfänger. Überall und zu jeder Tageszeit erklingt ein freundliches „Moin“ als Gruß. Schnell weiß jeder, dass hier das stille Örtchen „Hüsche“ genannt wird und es separate Bereiche für „Froulü“ und „Mannlü“ gibt, um dem Ruf der Natur zu folgen.

Zu Füßen des Alten Leuchtturms aus dem Jahre 1576 erinnern ein paar uralte, verwitterte Gräber mit eingravierten Totenköpfen an längst vergangene Zeiten, als die Insulaner vom Walfang lebten. Derweil arbeitet das nahe gelegene Heimatmuseum die 300 Jahre alte maritime Geschichte Borkums auf. Besonderer Blickfang ist hier das 15 Meter lange Skelett eines Pottwals.

Auch ein Walknochenzaun zwischen dem pittoresken Rathaus und dem Alten Leuchtturm erinnert an die Zeiten, als die Insulaner noch im Polarmeer auf Jagd nach den riesigen Meeressäugern gingen. Während sich in der Kulturinsel der Vorhang für Theater, Kabarett und Musical hebt, wartet der FKK-Strand der Insel nicht nur mit Freikörperkultur auf. Denn hier befindet sich auch Deutschlands einzige Strandsauna. Wo ließe es sich nach einem windigen Frühjahrstag am Meer besser entspannen, als in einer Sauna mit Nordseeblick?

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