Von der Quelle bis zum Fall: Eine Wanderung auf dem Lechweg

Füssen (dpa/tmn) - Der Lechweg wurde kürzlich als erster europäischer Qualitätswanderweg ausgezeichnet. Er führt von der Quelle des Lechs bis zum Fall in Füssen. Unterwegs gibt es spektakuläre Natur zu sehen, und es grüßt auch die Geierwally.

Muss das sein? Nach acht Stunden Wandern jetzt auch noch die steilen Treppen auf den Kalvarienberg? Aber gut, es ist der letzte Anstieg der Woche auf dem Lechweg. Also hinauf. Der Kraftakt lohnt sich: Nach Norden fliegt der Blick über die roten Ziegeldächer Füssens weit hinaus ins Alpenvorland, nach Osten öffnet sich das grandiose Panorama des Schwanensees mit den Königsschlössern dahinter, und nach Westen schaut man zurück ins Lechtal. Es ist eine Premiumaussicht, das würdige Finale des ersten europäischen Qualitätswegs.

Als Leading Quality Trail hat die Europäische Wandervereinigung den Lechweg, der Mitte Juni eröffnet wurde, ausgezeichnet. Er ist ein Pilotprojekt, entworfen von den Tourismusverbänden entlang des Lechs zusammen mit dem Deutschen Wanderverband. Über 125 Kilometer führt der Fernwanderweg von der Quelle in Vorarlberg bis zum Lechfall in Füssen, er windet sich durch Almwiesen mit Tausenden Alpenblumen, durchschneidet Bergwälder, überquert Hängebrücken und passiert Dörfer mit Lüftlmalerei an den Häuserwänden.

Die Reise beginnt am Formarinsee in knapp 1800 Metern Höhe. Wie ein Smaragd funkelt der Bergsee, eingefasst von Felswänden und Blumenhängen, über die Wildbäche herabstürzen. Hier entspringt der Lech. Kaltes, klares Wasser sprudelt unterhalb des Sees zwischen den Gräsern hervor. Niemand käme hier auf die Idee, dass dieses Bächlein zu einem machtvollen Strom anschwellen wird. Lik nannten die Kelten ihn, der schnell Fließende, der Steinreiche.

Durch Latschenkiefern, Enzian und Alpenrosen geht es sanft bergab. Lech am Arlberg ist der Endpunkt der ersten Etappe. Schindelverkleidete Hotelpaläste, fünfstöckige Trutzburgen. „In Lech gibt es vielleicht noch zehn alte Häuser, sonst ist alles neu“, sagt Herbert Sauerwein. Der 89-Jährige erinnert in seinem Heimatmuseum an die ärmliche Vergangenheit des Nobelskiorts. „Die Walser haben sich vor 700 Jahren hier angesiedelt“, erklärt Sauerwein. „Es waren arme Leute, heute sind sie die reichsten.“

Über Holzgau gabelt sich der Weg in zwei Varianten. So wollten seine Planer jenen Wanderern eine Alternative bieten, die sich vor der längsten Hängebrücke Österreichs gruseln. Gut 200 Meter weit spannt sie sich über das Höhenbachtal. „Es schaukelt scho' recht“, sagt eine Frau, die sich mit verkrampfter Haltung hinübertastet, den Blick starr nach vorn gerichtet, die Hände am Geländer. Sie schaut besser nicht durch den Gitterboden nach unten, wo in 110 Metern Tiefe der Bach gurgelt. Dort unten führt die andere Route durch die Schlucht zum Simms-Wasserfall und trifft auf der anderen Seite auf die Hängebrücke.

Über die Hänge der Schigge, überzogen von goldenen Gräsern und unzähligen Blumen, und entlang des Flussufers geht die Wanderung weiter nach Elbigenalp, ins Heimatdorf der Geierwally. Das Vorbild der Filmfigur, Anna Stainer-Knittel, seilte sich als 17-Jährige in der nahen Saxenwand ab und räumte einen Adlerhorst aus. Später wurde sie Malerin und heiratete gegen den Willen des Vaters. „Die erste emanzipierte Frau Tirols“, sagt Guido Degasperi, der Wirt des Restaurants „Zur Geierwally“.

Weiter führt der Weg über alte Jägersteige, Forstwege und geteerte Fahrradwege - bis zu seinem spektakulären, aber kraftraubenden Ende in Füssen.

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