Auf Reisen ist die Freizeit wertvoll

Düsseldorf. Das Schöne, wenn man nicht einfach Urlaub macht, sondern in dem Land, das man bereist, arbeitet, ist, dass die freie Zeit einen ganz anderen und höheren Wert hat. Und man macht eben das, was auch junge Australier in ihrer Freizeit so machen.

Salsa-Tänzer beim St. Kilda Festival in Melbourne.

Salsa-Tänzer beim St. Kilda Festival in Melbourne.

Und wo sie es machen. Zur Sommerzeit in Melbourne ist das vor allem hier: St. Kilda.

St. Kilda ist das junge Viertel, die Partymeile, das Strandleben. Wer hier abends ausgeht, stöckelt nicht zwangsläufig auf 20-Zentimeter-Hacken herum, selbst in Flipflops wird man an den Türen der Bars nicht abgewiesen. Ein Kontrast zum betont schicken Nachtleben der Melbourner City.

An der Acland Street, dem Herzstück des Staddteils, reiht sich ein Kuchenshop an den anderen - Cupcakes mit zuckriger Verzierung und Törtchen mit wenig Teig, aber viel Creme deckenhoch im Schaufenster gestapelt -, an ihrem Ende kochen bei "Lentil as Anything" Freiwillige für soziale Zwecke und die Kunden bestimmen selbst, was sie für ihr Essen zahlen wollen.

Alles ist eine Nummer alternativer, cooler. Und das vor allem zum St. Kilda Festival. Zu dem werden einmal im Jahr an verschiedenen Schauplätzen im Viertel Bühnen aufgebaut und Musiker aus dem ganzen Land eingeladen. Das Event ist schon deshalb etwas ganz Besonderes, weil es nichts kostet. In einem Land, wo man in den Hostels noch Geld für den Internet-PC hinblättern muss, während in fast jeder schäbigen Absteige in Asien das Wifi bereits gratis ist, ein Unikum.

Ich fahre an meinem freien Tag mit Mitbewohner Liam zum Festival. Und gleich im ersten Pub gegenüber der Tram-Haltestelle an der Fitzroy Street bleiben wir hängen. Im Fenster des Lokals sitzen drei Jungs mit zwei Gitarren und einer Trommel, die "Flamenco Metal" spielen. Wir müssen einkehren und ein hausgebrautes Lager trinken.

Von der Fitzroy Street säumen an jeder Ecke Straßenkünstler, Musiker und Zauberer den Weg Richtung Strand und Acland Street. Sogar vom Balkon eines der schönen alten Wohnhäuser schallt Musik, die Köpfe der Jazzband ragen gerade so über das alte Holzgeländer. Auf der Bühne an der nächsten Ecke spielt eine Gruppe Salsa, die Menge davor ist ein Gewimmel aus Tänzern, die sich wild drehen.

Bis zum späten Abend ist das die einzige offizielle Bühne, zu der wir es schaffen - zu fasziniert von all dem Spontanen, Unorganisierten, das in den Straßen St. Kildas so vor sich geht. Dann allerdings tritt auf der Hauptbühne eine Band auf, deren Name mir sofort wieder entfallen ist, die aber Hits aus allen Jahrzehnten seit den 60ern neu zusammenmischt und zu moderner Partymusik macht.

Auf der Wiese springt eine Masse aus jungen Australiern und Backpackern aus aller Welt auf und ab. Tausende von ihnen. Für mich ein völlig neues Bild auf dieser Reise durch den leersten Kontinent der Welt. Und in all dem Gewimmel treffe ich meine Kollegin Victoria, eigentlich Engländerin, aber seit 25 Jahren australische Staatsbürgerin. Umarmung, kurzes Gespräch. Dann textet Kollegin Claudia, ob ich in der Nähe sei. In meine zwei Mitbewohnerinnen aus England, Hailey und Hannah, renne ich kurze Zeit später auf dem Weg in die nächste Bar. Ich habe einen Job und Spaß und Freunde. Ich glaube, so langsam bin ich angekommen in Melbourne!

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