Aug in Aug mit einem Büffelbullen - Cowgirl Julie erhält den Ritterschlag

Northern Territory. Als ich gerade auf der Cattle Station angekommen war, hat mir Jackaroo Alex ein paar weise Worte mit auf den Weg gegeben: "Cowboy-Leben ist zu 90 Prozent langweilig und zu zehn Prozent purer Terror." An diesen Rat habe ich heute oft denken müssen.

Aug in Aug mit einem Büffelbullen - Cowgirl Julie erhält den Ritterschlag
Foto: Juliane Kinast



Schon auf dem ersten Besitz in den Wetlands nahe der Küste hatten wir ja Büffel zusammengetrieben. Aber hier im unendlichen Buschland haben die meisten der riesigen schwarzen Biester noch nie einen Menschen gesehen - mit einem kleinen Quad möchte man sich ihnen nicht auf 200 Meter nähern, mit einem Pferd schon gar nicht.

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Foto: Juliane Kinast

Also bauen wir eine Dreiviertelstunde Fahrt über Schotterpisten vom Haus entfernt einen so genannten Trap-Yard auf: bewegliche Zaunelemente für einen kleinen Auslauf und davor ein Trichter mit Zäunen aus Kunststoffplane. In den jagt Pilot Matt die Büffel mit seinem Helikopter. Sein Vater, Cattle-Station-Besitzer Frank Wright, und dessen Frau Cheryl helfen vom Boden mit alten Autos, an deren Seiten und Front dicker Stahl verschweißt wurde - zum Schutz. Wir Arbeiter müssen am Yard eigentlich nur verdammt schnell Gatter schließen, wenn ein Büffel reinkommt. Eigentlich.

Plötzlich knackt das Funkgerät. Matt ruft seine Mutter Cheryl. "Die Viecher drehen sich immer sofort um und rennen in die Gegenrichtung, sobald ich über sie hinweggeflogen bin. Vielleicht setze ich Julie hinter ihnen ab und sie soll versuchen, sie in Bewegung zu halten." Julie (sprich: Dschuli), das bin dann wohl mal ich. Und kurz darauf knattert tatsächlich der Heli heran, sinkt zwischen den Bäumen zu Boden und Matt winkt mir wild zu. Mit gemischten Gefühlen steige ich ein und wir fliegen los.

Meine Mission klingt einfach: Hinter den Büffel herlaufen, grob in die Richtung des Trap-Yards, und dafür sorgen, dass sie wissen: Ich bin hinter ihnen. Sie sollen sich fortbewegen. Also laufe ich durch den Busch, wegen der vielen supergiftigen Schlangen immer ein wachsames Auge auf dem Boden, und singe laut, aber unschön "Buffalo Soldier", weil es ja gerade so gut passt.

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Foto: Juliane Kinast

Plötzlich ein Rascheln 150 Meter vor mir. Ein riesiger Kopf mit mächtigen Hörnern glotzt mich über das hohe, trockene Gras hinweg an. Und dann kommt der junge Büffelbulle auf mich zu. Erst langsam, dann sehr schnell. Panisch fummel ich an meinem Funkgerät herum. "Matt, Matt! Der kommt auf mich zu!" Mit der anderen Hand greife ich nach dem untersten Ast eines Baumes und kraxele dilettantisch herum, um mich in Sicherheit zu bringen.

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Foto: Juliane Kinast

Aber der Bulle hält inne. Wenige Sekunden später ist der Chopper über mir und ich höre Matt über Funk. "Nein, der guckt doch nur. Hat wahrscheinlich noch nie 'ne Deutsche gesehen ..." Schön, dass wenigstens einer seinen Spaß hat.

Das Geräusch des Helikopters hat die vier Büffel vor mir wenigstens wieder in Gang gesetzt. Sie rennen auf einen Bachlauf zu. Ich bleibe zurück. Als der Helikopter deutlich vor mir ist, frage ich Matt über Funk: "Kann ich den Bach überqueren? Sind alle vier drüben?" Die Antwort: "Yep, righto!" Also schlage ich mich durchs Unterholz und suche nach einer günstigen Stelle, um trockenen Fußes auf die andere Seite zu gelangen.

Meine Augen suchen matschigen Boden und dichte Büsche ab - und bleiben plötzlich an einer gewaltigen Silhouette hängen. Da ist er. Nur 20 Meter von mir entfernt. Ein riesiger Büffelbulle. Bestimmt über 700 Kilo Jedes Horn so lang wie mein Arm. Ich springe auf einen toten Baum, den das letzte Buschfeuer zurückgelassen hat, und alarmiere den Piloten mit dem Funkgerät.

Der Chopper geht wenig später neben meinem Sicherheitsbaum herunter, und trotz meiner Flugangst bin ich verdammt froh, einsteigen und abheben zu dürfen. Das Knattern der Rotorblätter scheucht den Bullen auf. "Mist, den hatte ich nicht gesehen", sagt Matt. "Die Kerle sind Meister darin, sich im Busch zu verstecken."

Der Helikopter geht zwischen Bäumen hinauf und herunter, legt sich auf die Seite, dreht sich um die eigene Achse, während Matt den Büffel zum Trap-Yard treibt. Endlich rennt das massige Tier auf den Kunststoff-Trichter zu, Cheryl und Frank kommen von den Seiten mit ihren Allrad-Fahrzeugen über Baumstämme und Termitenhügel herangeholpert. Der Büffel rennt geradewegs auf das Tor des Trap-Yards zu - und hinein.

Als ich aus dem Heli steige, lächelt Franks zerfurchtes Gesicht zu mir herüber. "Good job!" Hier draußen ist das schon fast so etwas wie ein Ritterschlag. Und ich bin stolz. Vor allem darauf, dass ich viel schneller auf Bäume klettern kann, als ich je gedacht hätte. Heidenangst ist offenbar ein guter Lehrer.

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