Reisen ist Begegnen - und dann eben auch Loslassen

WZ-Autorin Juliane Kinast kann sich vorstellen, Melbourne zu verlassen und weiterzureisen. Vielleicht wechselt sie sogar den Kontinent.

Juliane Kinast und Reise-Freundin Burcin und mir beim Abschiedspicknick am Strand.

Juliane Kinast und Reise-Freundin Burcin und mir beim Abschiedspicknick am Strand.

Düssseldorf. Zweieinhalb Monate sind vergangen, seit ich in Melbourne angekommen bin. Und jetzt schlägt die Realität des Backpackerlebens zu: Meine Mitbewohnerin und Freundin Burcin verlässt mich. Dass das etwas Großes ist, weiß ich nicht, bis es passiert ist. Das Leben als Reisender ist gespickt mit vielen zufälligen Bekanntschaften. Mit dem Smalltalk in der Hostelküche: Wie lange bist du schon in Australien, wo warst du überall, wo fandest du es am Schönsten, wo geht es als nächstes hin ...

Man sammelt Freundschaftsanfragen auf Facebook teilweise im Stundentakt und weiß doch bei dem Großteil dieser Menschen, dass man nicht viel mehr gemeinsam hatte, als einen netten Abend bei ein paar Pale Ale. Und dass man sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit niemals wiedersehen wird. Aber das Reisen bietet auch die Chance, Menschen in ganz kurzer Zeit extrem nahe zu kommen. Wir sind so weit weg von zu Hause und können all das, was wir erleben und was so abgefahren ist, nicht mit den Menschen teilen, mit denen wir für gewöhnlich den banalsten Mist aus unserem Alltag teilen. Also teilen wir Reisenden miteinander - viel schneller als wir das sonst bei Fremden täten. Und so war das auch mit Burcin.

Neues Jahr, neue Stadt - die Reise geht weiter
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Als wir Anfang Januar in dem kleinen Hostel-Schlafsaal ineinander gerannt sind und beschlossen haben, an diesem Abend zusammen tanzen zu gehen, konnten wir nicht ahnen, dass wir drei Wochen später zusammen wohnen und arbeiten würden. Wir könnten viel unterschiedlicher sicher nicht sein - sie eine Deutschtürkin aus Bayern, ich eine rotzige Rheinländerin.

Aber unser gemeinsamer Weg in Melbourne hat uns so zusammengeschweißt, dass es sich angefühlt hat, als würde ich ein Arm oder Bein verlieren, als ich heute Morgen ihren Rucksack in das Auto ihres neuen Reisepartners gehievt habe, mit dem sie jetzt die australische Ostküste hinauffahren wird. Aber ich bin auch so froh für sie. Neidisch. Auf das Neue, das sie erwartet. Auf die Herausforderungen, Überraschungen, Schrecken, die auf sie zukommen. Reisen ist Begegnen - und dann eben auch Loslassen. Gönnen. Und Inspiration: Vielleicht ist es auch für mich Zeit, wieder auf die Straße zu kommen. Weiterzureisen.

Das Geld dafür ist allmählich da. Die Idee auch. Verraten will ich ja noch nicht zu viel - immerhin ist das Wesen meiner Pläne auf dieser Reise ja, dass sie sich meistens wieder ändern. Aber so viel doch: Ich wechsele möglicherweise mal den Kontinent. Und Burcin, die sehe ich spätestens zurück in der Heimat, zum Karneval in Düsseldorf. Das hat sie fest versprochen - Backpacker-Ehrenwort.

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