"St. Patrick's Day im Irish Pub - ich hab's überlebt!"

Das Kellner-Ich von Juliane Kinast hat sich in Melbourne einen lang gehegten Traum erfüllt.

WZ-Autorin Juliane Kinast (r.) hat am St. Patrick's Day in einem Pub in Melbourne gekellnert.

WZ-Autorin Juliane Kinast (r.) hat am St. Patrick's Day in einem Pub in Melbourne gekellnert.

Melbourne. Was die Leser ja mittlerweile über mich wissen: Ich bin eigentlich Journalistin in Düsseldorf, war im vergangenen Jahr für eine Saison Cowgirl, derzeit Kellnerin in einem schicken Waterfront-Restaurant in Melbourne.

Aber das ist nicht meine erste Erfahrung in der Gastronomie: Seit ich 17 Jahre alt war, habe ich quasi ständig in Restaurants, Bars, Cafés oder für Caterer auf Messen gearbeitet. Wenn man ohnehin nie die Klappe halten kann und gerne unter Menschen ist der perfekte Job und eine Möglichkeit, seine Kommunikationsfreude bezahlt auszuleben, statt seinem privaten Umfeld fortwährend auf die Nerven zu fallen.

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Und so wie mein Schreiber-Ich immer Journalistin und mein Reiter-Ich immer Cowgirl werden wollte, so wollte mein Kellner-Ich immer mal zu St. Patrick's Day in einem Irish Pub arbeiten. Wenn das Guinness fließt wie zu Hause der Rhein nach wochenlangem Rheinland-Regen. Ein Tag, an dessen Alkoholkonsum pro Kopf Karneval in der Heimat vermutlich nicht einmal auf Armlänge herankommt. Und das Ganze dann auch noch in Australien, wo jeder den Spruch "Kein Bier vor vier" für deutsche Spießigkeit und absolut unsinnig hält.

Yes! Den Job für diesen Tag in einem Irish Pub in Melbourne habe ich über meine Freundin und Kollegin Victoria bekommen. Ohne mich überhaupt zu kennen, haben die Manager Chris und Stu mich verpflichtet. Und mir nicht viel mehr mit auf den Weg gegeben, als dass ich bitte in schwarzen Schuhen und schwarzer Hose kommen möge.

Das tue ich - und bekomme bei meiner Ankunft eine fünfminütige Führung durch die zwei Etagen nebst Terrasse, gefolgt von einer kleinen Unterweisung, wo der Hochprozentige steht, ganz grob die Funktionsweise des Computersystems für alle Buchungen, die Pager für die Snacks aus der Küche, die die Gäste bekommen, die Kreditkarten-Geräte, die Gläser, das Eis, die Früchte für die Longdrinks. Mein Kopf rauscht in Sekundenschnelle. Aber schon wird mir ein Shirt übergestreift und ein lustiger Hut aufgesetzt. Los geht es.

Eine halbe Stunde später ist der Pub voll - und die Gäste sind es zum Großteil auch bereits. Es ist ja schon fünf Uhr nachmittags. Beachtlich ist nicht nur, wie die Bestellungen in Größenordnungen von zwei doppelten Vodka-Cola, zwei Whiskey-Ginger Ale mit Limette, drei Guinness und fünf Tequila noch aus den Feiernden fließen. Sondern auch mit welcher Sorglosigkeit sie danach die Kreditkarte über den Tresen schieben und 120-Dollar-Runde um 120-Dollar-Runde zu ihren bereits schwer angesäuselten Kumpels schleppen.

Nach Stunden, die wie Minuten verflossen sind, habe ich schon fast das Gefühl, mich zwischen Schnapsregal und den meterlangen Kühlschränken mit Mischgetränken zurechtzufinden, als ein junger Kerl auf mich zukommt, mich besoffen anschielt und nach etwas verlangt, das den Namen des weiblichen Genitals trägt.

Als ich wutentbrannt schon halb über die Theke geklettert bin, zupft mich einer meiner vielen namenlosen Kollegen - Zeit für Kennenlernen war nicht - am Ärmel und erklärt, es handele sich um einen speziellen Schnapsmix, zu finden auf der speziellen Schnapsmix-Karte die ich natürlich nicht kenne. Der schielende Kunde erhält drei Gläschen seines sexistischen Getränks und blättert mit schiefem Grinsen fast 40 Dollar dafür hin. Ich atme kurz durch - und zapfe die nächste Zehnerrunde Guinness.

Im Laufe des Abends kommen mich meine Mitbewohnerin Burcin und Kollegin Cheryl aus dem Teatro besuchen und gehen wieder, ich werde in ungezählten Litern umkippenden Biers geduscht und merke eigentlich nur, dass es später wird, weil die irisch-australische Gesellschaft, die den Schutzpatron der grünen Insel feiert, zunehmend nach Wasser verlangt, das in Australien immer gratis gereicht wird. So will es das Gesetz, wie man beim RSA-Kurs lernt - dem Kurs für "Responsible Service of Alcohol", also verantworungsbewussten Alkoholausschank; in Australien ein Muss für jeglichen Gastro-Job.

Natürlich nicht Bestandteil dieser Lektion war, dass ich jetzt Schnäpse an Mittvierziger ausschenke, bei denen ich Wetten darauf abschließen würde, dass das Getränk binnen einer Stunde auf dem Pflaster vor dem Pub landet. Pünktlich um 3 Uhr morgens schieben die Jungs von der Sicherheitsfirma die strunzvolle Restkundschaft auf die Straße und wir klauben Reste von so ziemlich allem Denkbaren von Boden, Tischen und Bänken. Elf Stunden sind vergangen. Unglaublich.

Über den Umsatz will ich nicht zu viel verraten - nur das: Sämtliche schicken Restaurants an der Melbourner Promenade kommen selbst mit Kaviar und Austern kaum in dessen Nähe. "Danke fürs Aushelfen", sagt Manager Stu über einem Feierabendbier. "Wenn du einen Job brauchst, meld dich!" Im Sonnenaufgang schleppe ich mich nach Hause. Um elf Uhr am Vormittag muss ich wieder im Restaurant sein. Aber egal. St. Patrick's Day im Irish Pub - ich hab's überlebt!

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