Zum ersten Mal Touristin

WZ-Autorin Juliane Kinast hat Sydney besucht und jede Menge Fotos gemacht - einfach um welche gemacht zu haben.

WZ-Autorin Juliane Kinast hat einen Ausflug nach Sydney gemacht.

WZ-Autorin Juliane Kinast hat einen Ausflug nach Sydney gemacht.

Melbourne. Zehn Monate bin ich nun schon auf Reisen. Und habe es bisher doch geschafft, eigentlich kein Tourist zu sein. Aber jetzt habe ich das Work in meinem "Work and Travel"-Visum für Australien endgültig hinter mir gelassen und kann mich vollends dem Travel widmen.

Da passt es perfekt, dass meine erste Station nach Melbourne, wo ich drei Monate lang gearbeitet habe, Sydney heißt (Randbemerkung: Die Australier sprechen es übrigens keineswegs Sidnäi aus, sondern Sidni). Ich habe genau einen vollen Tag. Und los. Tourist zu sein, bedeutet nach meiner Erfahrung ja vor allem, dass man etwas mehr trinkt und isst, als gut für einen ist - und dass man in die typischen Fallen stolpert.

Neues Jahr, neue Stadt - die Reise geht weiter
94 Bilder

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Und damit beginne ich dann auch meinen Tag in Sidni. Ich fahre zum Bondi Beach. Noch bevor ich in den Bus steige, telefoniere ich mit meinem Freund zu Hause und höre, wie er sagt: "Erwarte aber nicht zu viel, der ist nicht spektakulär." Er bestätigt, was ich ohnehin geahnt habe. Aber Bondi ist eben irgendwie weltbekannt, und in Sidni zu sein, ohne ihn gesehen zu haben, ist wie ein Besuch in Rom, bei dem man das Colosseum ausklammert, weil es ja doch ein bisschen bröckelt.

Also sitze ich erst eine halbe Stunde im Bus und laufe dann noch eine halbe Stunde, um dann auf einen vielleicht einen Kilometer langen Sandstreifen zwischen Betonwänden, Bettenburgen und einem Parkplatz zu blicken. Und was tue ich? Richtig: Ich schieße ungefähr 60 Fotos von einem Strand, mit dem ich nicht vor Daheimgebliebenen angeben kann und den ich mir auch niemals vergrößert über die Couch hängen werde. Einfach weil ich da bin und er da ist.

Derart aufgeladen mit touristischem Tatendrang will ich mehr Sehenswürdiges, das ich fotografieren und dann auf meiner Festplatte verschimmeln lassen kann. Und jeder weiß, wo es das in Sidni gibt. Ich hatte damals, als mich andere Backpacker nach meinen Reiseplänen in Australien gefragt haben, immer behauptet, dass ich kein Problem damit hätte, dieses Land wieder zu verlassen, ohne das achtmillionste Bild von der Oper in Sydney geschossen zu haben. Aber ich bin jetzt hier und habe eine Kamera. Also los.

Weil ich nur wenig Zeit, aber Ambitionen habe, steige ich am Hyde Park aus, von wo aus ich drei Parks - darunter den in der Tat reizenden Botanischen Garten - innerhalb einer halben Stunde erlaufen und dann am Wasser entlang Richtung Opernhaus spazieren kann. Dessen Zacken, die auf den Postkarten immer weiß sind, in Wahrheit aber ein kleines bisschen angeranzter aussehen, tauchen zwischen den tropischen Bäumen auf - und dann gleich dahinter auch schon die riesige Harbour Bridge.

Begeistert zücke ich den Fotoapparat. Botanischer Garten, Opernhaus und Brücke auf einem Bild - im Grunde hätte ich Sidni sightseeing-technisch auch in fünf Minuten abhandeln können. Nach wiederum etwa 60 Bildern der Oper aus allen Perspektiven und mit gewieften Anschnitten - irgendwas, was bisher noch niemandem eingefallen ist, wird doch wohl dabei sein! - pirsche ich mich dann aber doch vor in das alte Stadtviertel The Rocks auf der Hafenspitze und trinke ein Bier auf der Dachterrasse des Glenmore Pubs.

Die Oper sieht man auch von hier aus, aber so richtig schlimm touri fühle ich mich hier oben nicht mehr. Also ersticke ich jeden Hauch von "Lonely Planet" im Keim, hocke mich auf die Holzbänke am Löwenbräu und lasse mich von den eindeutig deutschen Backpackern im Dirndl auf Englisch fragen, was ich denn trinken möchte. Ich möchte ein Weizen. Dazu singt ein eindeutiger Aussie mit Akkordeon in der Hand "Und ich flieg, flieg, flieg ..."

Ich bin begeistert von mir und meinem ersten Tag als Touristin in Australien. Nach zehn Monaten. Als ich durch den Darling Harbour zurück zum Hostel laufe, ist mein Leben in Melbourne schon ganz weit weg. Und die Aufregung über all das, was erst noch kommt, groß. Wenn ich an einem Tag in alle miesen Touri-Fallen von Sidni stapfen kann - was kann ich dann erst mit ein paar Monaten anstellen ...

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