Zurück in Australien - aber wo ist nur das ganze Geld geblieben?

Melbourne. Der Unterschied zwischen Work and Travel und Urlaub ist nicht nur, dass man länger weg ist, sondern vor allem die Unvorhersehbarkeit. Das macht den Reiz des Ganzen aus - kann aber auch unglaublich nervend sein.

Burcin und ich stoßen am Yarra River mit einem Glas Prosecco auf unseren neuen Job an.

Burcin und ich stoßen am Yarra River mit einem Glas Prosecco auf unseren neuen Job an.

Foto: Juliane Kinast

Zum Beispiel, wenn man feststellt, dass man in Melbourne gestrandet ist und nicht mehr genug Geld für Nahrung hat. Aber von Anfang an. Der Plan dieser langen Reise war es ja nun, dass sie sich selbst tragen muss. Kein komfortabel angespartes Polster. Nur ein Flugticket. Das könnte sonst ja jeder.

Noch eine Baustelle, bald ein Restaurant: Hier haben Burcin und ich zufällig einen Job als Kellnerinnen ergattert.

Noch eine Baustelle, bald ein Restaurant: Hier haben Burcin und ich zufällig einen Job als Kellnerinnen ergattert.

Foto: Juliane Kinast

Das Problem: Mal eben um die halbe Welt zu fliegen, um mit den Liebsten Weihnachten zu feiern, ist ganz schön teuer - deshalb macht das auch eigentlich kein Backpacker. Aber ich habe es nun einmal gemacht. Und die Jillaroo-Lohntüten haben sich gefährlich geleert. Meine Hoffnung war, bei den Ex-Cowgirl-Kolleginnen in Welshpool im Pub anheuern zu können - darüber hatten wir im vergangenen Jahr nämlich mal gesprochen.

Der Eingang zu dem Restaurant, wo wir bald arbeiten werden.

Der Eingang zu dem Restaurant, wo wir bald arbeiten werden.

Foto: Juliane Kinast

Das Problem: Besagter Pub wartet immer noch auf seine Eröffnung. Also sitze ich in Melbourne. Planlos. Mittellos. In den ersten Tagen bin ich purer Optimismus. Ich antworte morgens beim Frühstück im Gemeinschaftsbereich meines Hostels auf ein paar Job-Inserate auf dem Internetportal Gumtree. Dann lege ich mich sorgenfrei in die Sonne am Yarra River oder im Botanischen Garten.

Aber so nach der 35. Bewerbung ohne Antwort - nicht einmal Absagen erhält man hier - wird es dann doch kribbelig. Nur so ein bisschen. Vor allem wenn am Tisch nebenan andere Backpacker sitzen, die berichten, sie suchten schon seit sieben Wochen erfolglos Arbeit. Für sieben Wochen wird das australische Konto selbst bei Instantkaffee und trockenem Toast nicht mehr reichen ...

Im gleichen Boot wie ich sitzt Burcin, eine 24-Jährige aus Rosenheim, die das Hochbett unter mir bewohnt. Auch sie sucht einen Job, auch sie hat keinen Plan, wo sie den finden soll. Also tigern wir zusammen los. Im Gepäck einen Stapel unserer Lebensläufe, welche wir fleißig, aber wahllos in sämtlichen Cafés, Restaurants, Pubs und Hotels der Melbourner Innenstadt verstreuen. Beharrlich, aber mit allmählich sinkendem Herzen.

Spätestens nachdem uns in einem winzigen Café ein freundlicher, aber ehrlicher Mann verrät: "Ihr seid heute die fünften Backpacker, die sich hier bewerben ..." Als wir uns dem Ende der Southbank - der Promenade am Yarra River - nähern und aus jedem der edlen Restaurants ein "Nein, wir suchen gerade niemanden, aber lasst gern mal euren Lebenslauf da" mitgenommen haben, sind wir nur noch Schulterzucken und bräsiges Gekicher. Irgendwas zwischen Hoffnungslosigkeit und Galgenhumor. Und ganz und gar ohne Antrieb.

Und so stolpern wir ohne näheres Hinsehen in die letzte Tür vor der Brücke, die zum Federation Square führt. Dahinter kommen dann nur noch Ruderclubs, wiederum dahinter Parks. Das zwangsläufige Ende unseres Bewerbungsmarathons Aber jetzt diese Tür. Die allerdings führt offensichtlich nur zu Staub, Plastikplane und kreischenden Sägen. Wir sind auf einer Baustelle gelandet. "Mann Burcin, das hier ist ja noch nicht einmal fertig", sage ich noch und wende mich zum Gehen. Da steht plötzlich ein junger Kerl vor mir und fragt: "Hey, sucht ihr zwei nach einem Job?" Wie wir innerhalb von fünf Minuten erfahren, ist der junge Kerl Marc - ein Koch aus Großbritannien, der auf dieser Baustelle demnächst, wenn sie keine Baustelle mehr ist, spanische und italienische Küche zubereiten wird. Und er glaubt, dass für die Eröffnung noch Personal gesucht wird.

Also schleppt er uns gleich zum Besitzer des Lokals. Nick ist ein Grieche, dessen ganze große Familie vor Jahrzehnten nach Australien ausgewandert ist. Ein Mann mit einer Vielzahl edler Restaurants in Melbourner 1a-Lagen und dem nettesten Lächeln, das man sich nur vorstellen kann. Nach wenigen Minuten Plauschs sind wir engagiert. Einfach so. Unser Blatt hat sich gewendet - und wir kehren auf ein Glas Prosecco ein, um unsere Ausdauer und unser Glück zu feiern. Nach einer Saison auf dem Pferderücken im australischen Busch werde ich nun also Kellnerin in einem schicken neuen Lokal am Yarra River in der Millionenstadt Melbourne. Es macht schon Spaß, wenn man mal den Zufall entscheiden lässt.

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