Mit Kompass durch das Inseldickicht

Vom Flughunde-Baum bis zum Palmfarn aus Dinosaurierzeiten: Nina und Adrian stoßen bei ihren Erkundungstouren auf allerlei Exotisches.

Tonga. Die Orientierung auf der Insel ist so eine Sache. Immer wieder in den ersten Monaten bin ich auf dem Weg durch den Dschungel an der gleichen Stelle rausgekommen, wo ich Stunden zuvor mit einer Machete bewaffnet losgezogen war. Dann war viel Mühe umsonst - und meine Laune gesunken.

Neuerdings, seit ich auf diesen Erkundungstouren einen Kompass mitnehme, klappt es besser. Endlich bekommen wir einen wirklichen Überblick über den doch eigentlich von der Fläche her überschaubar großen Ort (30 Hektar) an dem wir immerhin seit einem halben Jahr leben. Ein Rundgang in Worten.

Hinter unserer kleinen Hütte startet der hart erarbeitete Pfad, der in Schlangenlinien durch das gesamte Inselinnere bis an die auf der Südostseite gelegenen Sandspitze verläuft. Er führt anfangs durch Dickicht ein bisschen hinauf - bergauf wäre übertrieben - zum höchsten Punkt, den wir erreichen können: bescheidene zehn Meter. Von dort gelangen wir zu einer Ansiedlung von Noni-Bäumen, die sich an einigen Stellen auf der Insel finden.

Ungefähr jeden zweiten Tag treten wir barfuß in am Boden liegende, überreife Früchte. Die heilende Wirkung dieser Wunderpflanze, von der manche Menschen überzeugt sein mögen, hat sich uns leider noch nicht erschlossen. Das Zeug stinkt erbärmlich und ich würde es nicht unter Zwang essen.

Nächste Station ist eine Lichtung, die früher von Fischern der benachbarten Inselketten als Pandanus-Plantage genutzt wurde. Noch heute wachsen hier viele der exotischen Bäume, deren Stämme eine Art mehrere Meter hohes Wurzelzelt bilden und sich wild verzweigt in den Boden bohren.

Die dornigen Blätter verarbeiten die Frauen in den Dörfern in wochenlangem Aufwand zu Matten, die in der Kultur der Südseebewohner eine bedeutende Rolle spielen. Sie werden zu Hochzeiten und Beerdigungen, eigentlich zu den meisten förmlichen Anlässen, über die Kleidung gewickelt. Wir kennen zwar schon viele Details der Herstellung, trauen uns aber letztlich doch noch nicht zu, eine solche Matte selbst zu fertigen

. Durch einen Wald von Kokosnusspalmen, von denen wir geschätzte 2000 auf der Insel haben, geht es weiter zu einem längeren Strandstück, an dem wir besonders gerne innehalten. Hier haben wir schon an einigen Nachmittagen junge Mantas und Teufelsrochen beim Schwimmen beobachten können. Sie scheinen das seichte Wasser zu mögen. Watet man ihnen entgegen, kommen sie neugierig nah heran.

Die Tierwelt im Korallenriff ist faszinierend, aber ebenso auf der Insel. Gehen wir den Pfad weiter bis ans Ende, stoßen wir auf einen etwa 20 Meter hohen Baum, an dessen Äste ungefähr 100 Flughunde hängen. Offensichtlich ihr Basislager. Die zierlichen Tierchen, die einen voluminösen Pelz um ihren Hals tragen, sehen wir vor allem in den Abendstunden überall umherfliegen, vor allem in der Nähe von Papayas, deren Blüten sie netterweise bestäuben.

Vom „Flughunde-Baum“, wie wir ihn getauft haben, ist es nur noch ein paar Schritte zur Sandspitze, an der ich gerne fische und die wir in der Zwischenzeit, weil wir uns so oft hier aufhalten, mit einigen jungen Kokospalmen bepflanzt haben. Wir wollen der Natur ein bisschen nachhelfen.

Als Zyklon-Geschädigte wissen wir außerdem, wie wichtig gutes Wurzelwerk an Stränden ist, damit bei einem Sturm nicht alles von den Wassermassen davon gespült wird. Auch das Riff erholt sich glücklicherweise: In Felspools, die bei Ebbe begehbar sind, bilden sich erste Korallen nach.

Etwa in der Mitte zwischen Südost- und Nordwestspitze der Insel, also auf dem Rückweg unseres täglichen Strandspaziergangs, findet sich eine weitere Sehenswürdigkeit. Von dort haben wir erneut einen Pfad geschlagen, dieser führt etwa 100 Meter ins Dickicht hinein.

Bisher noch eine Sackgasse, die uns aber an das von uns vorläufige Ziel führt: einen etwa 15 Meter hohen, mehrfach verzweigten Palmfarn. Das Gewächs, das stark an das Zeitalter der Dinosaurier erinnert, hat einen ungewöhnlich dicken Stamm und viele gefiederte Blätter. Unweit vom Stamm entfernt haben wir einige Ableger gefunden und sie gleich ausgegraben, um sie in der Nähe des Gemüsegartens zu pflanzen.

Letzter botanischer Stopp auf dem Weg zurück zur Hütte ist ein großes Taro-Feld, dass versteckt hinter Gestrüpp liegt. Die jungen Blattstiele kann man als Gemüse kochen, was wir auch schon probiert haben und was ganz gut zur Kokosnusscreme geschmeckt hat. Aber die Knollen, die mehrere Kilogramm wiegen können, die man theoretisch auch essen kann, haben wir ausgelassen. Sie enthalten schwer lösliche Calciumoxalat-Kristalle, weshalb das Kochwasser mehrmals gewechselt werden müsste.

Die breiten Taro-Blätter kann man übrigens zu einem ganz natürlichen Regenschirm umfunktionieren. Allerdings bevorzugen wir es wie die meisten Menschen in Tonga, wenn der Regen direkt auf uns herabprasselt. Ich habe noch nirgends Leute gesehen, die so begeistert klatschnass werden. Manche reiben sich bei Platzregen sogar die Haare mit Shampoo ein und gehen dann so durch Tongas Hauptstadt spazieren.

Nach langer, langer Einsamkeit auf der Insel würden wir uns mal wieder über Besuch freuen. Eines Tages wird es soweit sein, wir suchen fleißig am Horizont nach Booten.. Am liebsten auf dem letzten Stück unseres Rundgangs, wo wir an ganz seltenen Tagen die 1046 Meter hohe Vulkaninsel Kao als Silhouette in den Himmel ragen sehen, Tongas höchste Erhebung.

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